Paavo Nurmi (Mitte) unterwegs.

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Eigentlich, und das lässt nach fast 100 Jahren die größte Stunde in der Geschichte des Mittelstreckenlaufens nur noch sagenhafter erscheinen, hatte Paavo Nurmi das Ganze nur als Test geplant. Weil bei den Olympischen Spielen 1924 in Paris die Rennen über 1500 und 5000 m in dichter Folge starten sollten, wollte der Fliegende Finne das Unterfangen im Vorfeld unbedingt auf seine Machbarkeit abklopfen – und flog am 19. Juni im Eläintarha-Stadion von Helsinki zu den Sternen.

Nurmi: Acht Olympiasiege

Nurmi, der vier Jahre zuvor in Antwerpen bereits drei seiner insgesamt acht Olympiasiege geholt hatte, war damals 27 und schon eine Legende. Und vor allem war er für seinen fast pathologischen Hang zur Perfektion berüchtigt. Gegner störten ihn da nur, 1924 war er längst dazu übergegangen, vornehmlich alleine und nicht mehr im Wettkampf anzutreten.

"Wenn du gegen die Uhr läufst, musst du nicht sprinten", benannte der große Schweiger aus Turku sein Credo, brutal hohes, aber gleichmäßiges Tempo war sein Metier. Zuerst nahm sich Nurmi in Helsinki die 1500 m vor, blieb in 3:52,6 Minuten mehr als zwei Sekunden unter dem Weltrekord des Schweden John Zander.

Und als sei dies nicht mehr als ein schieres Warmlaufen gewesen, rannte Nurmi eine Dreiviertelstunde später erneut los und unterbot über 5000 m in 14:28,7 Minuten seinen eigenen Weltrekord um mehr als sieben Sekunden – eine Marke, die erst auf den Tag genau acht Jahre später von seinem Landsmann Lauri Lehtinen geknackt wurde. Nurmis magische Maßstäbe von Helsinki zeigten, was für einen perfekt trainierten Sportler möglich ist.

Owens: Drei Weltrekorde in 45 Minuten

Jesse Owens, eine andere Weltlegende der Leichtathletik, stellte elf Jahre später in 45 Minuten drei Weltrekorde (Weitsprung, 220 Yards, 220 Yards Hürden) auf und egalisierte einen weiteren (100 Yards) – aber eben nur in einer olympischen Disziplin. Bis heute streiten die Gelehrten, welche Leistung die größere war – Owens' oder Nurmis.

Das doppelte Olympiagold 1924 in Paris gewann Nurmi genau drei Wochen später natürlich. Zwar ohne Weltrekord, aber mit Leichtigkeit – weil kurzfristig noch die Vorläufe über 400 m Hürden dazwischengeschoben worden waren, hatte er diesmal für beide Rennen sogar 90 Minuten Zeit. (sid, 19.6.2020)