Ein gewohntes Bild in Corona-Zeiten: Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) reden – und die Medien berichten darüber.

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Wien – Österreichs Politik wird weiblicher, die Kommunikation darüber aber nicht: Mit über 50 Prozent Frauen in der Regierung und knapp 40 Prozent im Parlament hat der Frauenanteil einen Höchststand erreicht. Von dem historisch hohen Frauenanteil in der Regierung war allerdings in den letzten Monaten medial nicht viel bemerkbar, denn: "Zu über 80 Prozent wird die Corona-Krise in der politischen Berichterstattung von Männern kommuniziert, trotz weiblicher Besetzung einiger krisenrelevanter Schlüsselressorts wie Wirtschaft, Arbeitsmarkt oder Europapolitik."

Zu diesem Schluss kommt Maria Pernegger, die mit ihrer Agentur Media Affairs die Berichterstattung der letzten Wochen analysiert und gewichtet hat. Den erhobenen Daten liegen 9.100 Artikel zugrunde, die vom 10. März bis 31. Mai 2020 in den Medien "Krone", "Kurier", STANDARD, "Presse", "Österreich" und "Heute" veröffentlicht wurden. Analysiert wurde sowohl das Berichtsvolumen (in Wörtern) als auch die Tonalität – also ob über die Politikerinnen und Politiker positiv, negativ oder neutral berichtet wurde. Die Meldungen wurden nach der Reichweite des jeweiligen Mediums gewichtet.

In Österreich sind Kanzleramt, Vizekanzleramt, das Innenministerium und das Gesundheitsministerium in männlicher Hand und in Zeiten einer Pandemie mit Ausgangsbeschränkungen am stärksten gefordert, was ein Mitgrund des eklatanten Ungleichgewichts ist, aber dennoch: "Dass Kanzler oder Gesundheitsminister eine hohe Medienpräsenz erreichen, ist so weit erwartbar. Dass jedoch Player wie Innenminister Nehammer oder Finanzminister Blümel etwa doppelt so viel Berichtspräsenz generieren können wie die erste weibliche Ministerin im Ranking, Landwirtschafts- und Tourismusministerin Köstinger, ist dann doch überraschend", sagt Pernegger.

Unter ferner liefen

Noch größer falle der Abstand zu Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) aus, die nur etwa 40 Prozent des Berichtsvolumens Nehammers erreiche. Arbeitsmarktministerin Christine Aschbacher (ÖVP) komme auf ein knappes Fünftel, "obwohl ihr Ressort derzeit sachlich wahrscheinlich nicht unwichtiger ist als das Innenressort", so Pernegger. "Und Bundeskanzler Kurz erreicht überhaupt gleich 60 Prozent mehr Berichtsvolumen als alle Ministerinnen der Regierung zusammen."

Die Gründe liegen für Pernegger auf der Hand. Krisenzeiten seien Zeiten der Machtdemonstration: "Die aktuellen Zahlen zeigen, dass Frauen zwar an der Spitzenpolitik teilhaben, dort jedoch nicht im Epizentrum der Macht angekommen sind." (omark, 20.6.2020)