In diesem Jahr rechnet Modeunternehmer Florian Jonak mit einem Umsatzminus von 30 Prozent.

Foto: Heribert Corn

Er habe noch nie so viel gearbeitet wie in den letzten Monaten seit der Corona-bedingten Schließung des Handels, sagt der Modeunternehmer Florian Jonak. Und nach wie vor sei die Unternehmensrettung eine tägliche Kalt-warm-Dusche, die Umsätze in den Luxusboutiquen ziehen nur langsam an. Trotzdem sieht er in der Krise auch etwas Positives: die Chance auf ein nachhaltiges Umdenken in der Modebranche.

STANDARD: Ich bin eben durch die Innenstadt zu Ihnen gebummelt. Die Straßencafés sind brechend voll, die Boutiquen wirken leer. Täuscht mein Eindruck?

Jonak: Noch vor vier Wochen waren am Graben und Kohlmarkt untertags gerade mal zwölf Leute. Wir hatten unsere Geschäfte zwar geöffnet, aber es sind den ganzen Tag über keine Kunden gekommen. Jetzt füllt sich die Innenstadt wieder, der Floor-Traffic kehrt langsam zurück. Trotzdem sind wir noch weit vom Niveau vor dem Lockdown entfernt, vor allem im Luxussegment. Es fehlen spürbar die Touristen aus Asien, aus Russland – und natürlich auch die Veranstaltungen, für die sich viele unserer Stammkundinnen sonst neu einkleiden würden.

STANDARD: Als der Handel wieder aufsperren durfte, ging ein Bild durch Social Media: das einer langen Menschenschlange vor der Louis-Vuitton-Boutique im ersten Bezirk. Mitten in einer beginnenden Wirtschaftskrise schien dieses offenbar dringende Bedürfnis nach Luxus vielen sonderbar ...

Jonak: Davon darf man sich nicht täuschen lassen. Diese Schlange hat nicht bedeutet, dass die Menschen nun unbedingt sündteure Accessoires oder Kleidung kaufen wollten, um sich nach der Corona-Zeit für die Entbehrungen zu belohnen. Viele haben den ersten Öffnungstag genutzt, um bereits vor längerer Zeit bestellte Ware abzuholen oder Reklamationen zu tätigen. Das war auch bei uns so. Deshalb kam aber nicht zwangsläufig frischer Umsatz. Leider.

STANDARD: Sie haben fünf Geschäfte in Innenstadtlage, fünf weitere am Flughafen. Wann rechnen Sie wieder mit Touristen aus Asien, Russland oder den Emiraten?

Jonak: Frühestens im ersten Halbjahr 2021. Ich bin aber skeptisch, ob das dann genauso sein wird wie in den letzten Jahren. Und das sage ich jetzt weniger als Geschäfts- denn als Privatmann: So schlecht finde ich das nicht. Ich war nie ein Freund von Billigflügen, habe nie verstanden, warum man um 19 Euro in eine Stadt fliegen muss oder tausende Asiaten um 900 Euro einfliegen, schnell durch die Wiener Innenstadt getrieben und dann wieder zurückverfrachtet werden. Wenn die Krise hier ein Umdenken bewirkt, dann finde ich das gut.

Die Innenstadt füllt sich wieder, meint Florian Jonak.
Foto: Heribert Corn

STANDARD: Trotzdem gehen mit den Touristen auch 40 Prozent Ihres Umsatzes flöten. Denken Sie über Schließungen und Entlassungen nach?

Jonak: Jeden Tag, das liegt mir im Magen. Im Moment sind 90 Prozent der 120 Mitarbeiter in Kurzarbeit. Das hat uns geholfen, die erste schwierige Phase zu durchtauchen, auch die Lieferwerke und Vermieter waren zum Glück kulant. Aber der Lockdown fiel genau in die Zeit, in der wir das meiste Geschäft machen. Der Kostendruck ist jetzt natürlich enorm. Aktuell liegt unser Umsatzminus bei rund 60 Prozent. Wenn wir übers Jahr bei minus 30 Prozent aussteigen, sind wir glücklich. Von den Lieferwerken aus Asien höre ich, dass sich die Lage im Luxussegment langsam entspannt, das gibt Hoffnung. Aber es ist eine tägliche Kalt-warm-Dusche, ich hoffe, sie bleibt jetzt mal länger warm. Wir sind ein Familienbetrieb, unsere Verkäuferinnen sind Spezialistinnen, die viel Know-how über die Luxuslabels, die Verarbeitung, die Stoffe, die Kollektionen und natürlich über unsere Stammkundinnen haben. Es wäre furchtbar, einige von ihnen gehen lassen zu müssen.

STANDARD: Was geschieht nun mit den Teilen, die Sie nicht mehr verkaufen konnten – kommt der große Ausverkauf der Designerware?

Jonak: Der Lagerdruck ist nicht so hoch. Ein Teil der Sommerware war bereits verkauft, als die Krise ausgebrochen ist – und die Lieferwerke in Italien und Spanien standen teilweise zwei Monate still. Es kamen also auch keine Nachlieferungen, manches konnte storniert werden. Ich sehe also keinen großen Grund, jetzt mit Schleuderpreisen reinzugehen und die Margen restlos zu ruinieren.

STANDARD: Showroom-Präsentationen, Modeschauen und Verkaufsmessen wurden abgesagt. Wie wirkt sich das auf Ihren Einkauf der neuen Kollektionen aus?

Jonak: Die Luxusmarken haben wirklich erstaunlich schnell reagiert und in der Krise Online-Plattformen als Ersatz für die Einkäufer eingerichtet – wir konnten also unsere Bestellungen machen. Allerdings haben wir unsere Einkaufsbudgets reduziert.

Rechnet wegen Corona nicht mit Schleuderpreisen: Florian Jonak.
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STANDARD:Wird das nachhaltig so bleiben? Immerhin wurde schon vor dem Ausbruch der Pandemie diskutiert, ob es wirklich notwendig ist, so viele Schauen zu veranstalten und Flüge in Kauf zu nehmen ...

Jonak: Für den professionellen Einkauf glaube ich das nicht. Auch wenn es tolle virtuelle Präsentationen der Ware gibt: Sobald sie geliefert wird, sieht sie doch immer etwas anders aus, als es die Fotos und Videos vermitteln. Die Raffinesse der Verarbeitung, die Weichheit der Stoffe, das lässt sich alles beim Einkauf vor Ort nach wie vor besser beurteilen.

STANDARD: Der Designer Giorgio Armani hat in einem offenen Brief die Branche zu einem Umdenken aufgerufen: Das Hamsterrad der Modewelt müsse nach der Krise abgebremst werden. Ist das spürbar?

Jonak: Absolut. Das ist eine Entwicklung, die von den großen Designhäusern bereits in den letzten drei Jahren diskutiert wurde – und in die nun echte Dynamik gekommen ist. Die Luxusmode hat lange versucht, sich der Fast Fashion anzupassen, ständig neue Kollektionen auf den Markt zu werfen, modisch zu sein. Nun besinnt man sich der Kernwerte: langlebiges Design mit aufwendigerer Verarbeitung, die über Jahre hinaus Haltbarkeit hat. Und reduziert die Carryovers der Kollektionen. Es ist nicht normal, Winterkleidung im Mai zu kaufen! So wird die Branche vielleicht tatsächlich umwelt- und sozialverträglicher.

STANDARD: Sie sind Sprecher der Einkaufsstraßen Wiener Graben und Kohlmarkt. Wirtschaftsforscher gehen davon aus, dass die Innenstadt vom Wegfall des Tourismus am härtesten getroffen wird ...

Jonak: Was mir Sorge macht, das sind die ganzen kleinen Lokale und Geschäfte in den Seitengassen, die den Charme der Stadt ausmachen. Für sie wird es hart, viele werden schließen müssen. Vermutlich sieht das Stadtbild ab Herbst ein wenig anders aus.

STANDARD: Manche meinen, dass Sonntagsöffnungszeiten helfen könnten, die Umsätze anzukurbeln. Sie sind dagegen. Warum?

Jonak: Das wäre eine Maßnahme, die ausschließlich den großen Ketten in die Hände spielen würde, aber nicht den kleinen, familiengeführten Unternehmen. Die könnten sich diese Personalkosten gar nicht leisten.

STANDARD: Sie führen das Unternehmen in dritter Generation, manövrieren es durch eine Zeit, in der es erstmals über Monate null Umsatz gab. Wie erlebt es Ihre Familie, dass der Betrieb so kriselt?

Jonak: Meine Eltern waren erstaunlich entspannt, was das Geschäft betrifft. Unsere Generation erlebt die aktuelle Situation als einschneidende Krise – aber wir vergessen dabei, dass unsere Eltern viel Schlimmeres durchgemacht haben. Der Austausch mit ihnen hatte also eigentlich fast etwas Beruhigendes. (INTERVIEW: Nana Siebert, 21.6.2020)