Allzu viel verrät das Ressort von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) vorerst nicht über die internen Entscheidungsprozesse in der Covid-19-Krise.

Foto: APA/ Georg Hochmuth

Anfang Juni versammelte Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) eine größere Runde mit Vertretern aus Verwaltung, Medien und Transparenz-NGOs im Kanzleramt, um mit pathetischen Worten das Ende des Amtsgeheimnisses anzukündigen. Mit einer transparenten und nachvollziehbaren Verwaltung solle nicht weniger als das Vertrauen der Bürger gestärkt werden. Auf Facebook teilte Edtstadler ein Sujet mit dem Schriftzug: "Wir wollen zeigen: Der Staat hat nichts zu verbergen".

Hat er das wirklich nicht? Die Opposition bezweifelt das. Aus ihrer Sicht will die türkis-grüne Regierung gerade bei den unzähligen Covid-19-Maßnahmen lieber weniger als mehr öffentlich machen. Zumindest legen das zwei parlamentarische Anfragebeantwortungen der Gesundheitssprecher Philip Kucher (SPÖ) und Gerald Loacker (Neos) nahe.

"Ein schlechter Scherz"

In einer davon listet das Ressort von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) zwar die Mitglieder des Beraterstabs der Corona-Taskforce auf. Dieser ist aber nur ein Teil eines noch größeren Organigramms um die Taskforce von Anschober. Kucher hat diese Grafik in seine Anfrage eingebaut und wollte wissen, wer sich etwa hinter "AG zur Vorbereitung mittel- und langfristiger Maßnahmen" oder "Ad hoc Taskforce Testsysteme" verbirgt. Die für ihn unbefriedigende Antwort lautet bloß: Mitarbeiter aus dem Ressort seien zugeordnet worden.

Noch unklarer bleibt das Gesundheitsministerium allerdings bei der Frage, auf Basis welcher Empfehlungen und Studien über "Lockerungen" entschieden wurde und ob es abweichende Vorschläge innerhalb der Taskforce gab. Man habe sich "an den epidemiologischen Gegebenheiten sowie den internationalen Beispielen orientiert", erklärt das Ministerium. Die Maßnahmen seien auch "regelmäßig" mit den wissenschaftlichen Experten im Beraterstab diskutiert worden. Ein tieferer Einblick in die Entscheidungsprozesse folgt nicht.

Kucher hält das für einen "schlechten Witz". Er ärgert sich darüber, dass die Regierung ihre Entscheidungen nicht nachvollziehbar macht. Immerhin: Anschober kündigt in der Beantwortung an, dass die Veröffentlichung von internen Mitschriften aus den Sitzungen des Beraterstabs der Taskforce in anonymisierter Form "nun in Umsetzung ist".

Wenig aus dem Kanzleramt

Eine ähnliche Erfahrung machte Neos-Gesundheitssprecher Loacker mit Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Der Abgeordnete wollte mehr über eine von Mathematikern und Biologen Ende März der Regierung zur Verfügung gestellten Studie wissen. Konkret über jene, die wohl als Basis für die drastische Warnung des Kanzlers vor 100.000 Toten durch die Corona-Pandemie diente. Beantwortet hat Kurz aus Loackers Sicht nur, welche Fachrichtungen die Studienautoren abdecken.

Das Kanzleramt geht aber nicht darauf ein, auf welchen Datenquellen die Studie fußt, ob die Schlussfolgerungen vom dortigen Team überprüft wurden oder ob dem Kanzleramt das gesamte Expertenpapier vorliegt. Bekannt ist nur ein "Executive Summary". Loacker hat eine Folgeanfrage eingebracht, erwartet sich aber nichts davon.

Auch nicht weitergekommen ist die Opposition bisher damit, einen Covid-19-Unterausschuss im Parlament einzurichten. In diesem will sie alle Corona-Hilfsmittel überprüfen. Diese hat die Regierung zuletzt auf 50 Milliarden Euro aufgestockt. Türkis-Grün lehnte den Wunsch der Opposition bei der Parlamentssitzung am vergangenen Mittwoch ab, weil etwa auch der Rechnungshof eine Prüfung angekündigt habe. Eingeladen wurden SPÖ, FPÖ und Neos, Mitglieder in den Beirat der Covid-19-Finanzagentur zu entsenden. Diese verwaltet aber nur einen Teil der Corona-Hilfsmittel. (Jan Michael Marchart, 22.6.2020)