Die EU-Kommission schlug europaweite Kollektivklagen als Reaktion auf den VW-Abgasskandal vor.

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Brüssel – Verbraucher in der EU können ihre Rechte künftig besser gegen große Firmen durchsetzen. Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten einigten sich am späten Montagabend auf die EU-weite Einführung von Sammelklagen.

"Nach einem langen und harten Kampf gegen die Versuche der Industrie, den Vorschlag zu verwässern, werden Verbraucherorganisationen künftig vor Gericht gegen unlautere Händler vorgehen können", sagte die SPD-Europaabgeordnete Evelyne Gebhardt. "So werden Verbraucherinnen und Verbraucher in Europa einfache Ansprüche auf Schadensersatz, Minderung oder Ersatzlieferung durchsetzen können."

Reaktion auf VW-Abgasskandal

Der französische Christdemokrat und Verhandlungsführer des Parlaments, Geoffroy Didier, betonte, es sei gelungen, ein Gleichgewicht zwischen Verbraucherschutz und juristischer Sicherheit für Unternehmen zu schaffen. EU-Justizkommissar Didier Reynders begrüßte die Einigung.

Die EU-Kommission hatte 2018 im Zuge des VW-Abgasskandals um manipulierte Abschalteinrichtungen von Fahrzeugen vorgeschlagen, europaweit Kollektivklagen zu erlauben. Die EU-Staaten müssen die neuen Regeln nun innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umsetzen. In Deutschland gibt es mit der Musterfeststellungsklage bereits eine Möglichkeit für Kollektivklagen.

Europaweite Sammelklagen, auch Flug- und Zuggastrechte

Künftig können Verbraucher jedoch auch in anderen EU-Staaten ihre Rechte durchsetzen. Qualifizierte Institutionen wie Verbraucherverbände können dann stellvertretend für die Geschädigten gegen Unternehmen auf Unterlassung und Schadenersatz klagen. In jedem EU-Staat soll zumindest eine Organisation dazu berechtigt sein, wie das Europaparlament mitteilte.

In einem wichtigen Punkt setzten sich die Parlamentarier gegen die EU-Staaten durch: Auch Flug- und Zuggastrechte werden von den neuen Regeln umfasst. Darüber hinaus können Sammelklagen etwa bei Fragen des Datenschutzes, bei Finanzdienstleistungen sowie bei Energie-, Umwelt- und Gesundheitsfragen eingereicht werden – neben den allgemeinen Verbraucherschutzrechten.

Verlierer müssen für Prozesskosten aufkommen

Vor einem Missbrauch dieser Klagemöglichkeit sollen Unternehmen durch die neuen Regeln geschützt werden. Abschreckend soll das Prinzip wirken, dass der Verlierer eines Prozesses für die Kosten aufkommt. Zudem können Gerichte und Behörden zum frühestmöglichen Zeitpunkt entscheiden, einen offensichtlich unbegründeten Fall fallenzulassen, wie das Parlament mitteilte. In den USA sind Sammelklagen ein lukratives Geschäftsmodell für Anwaltskanzleien. (APA, 23.6.2020)