Wochenlang wegen der Covid-Krise geschlossen: die großen Bundestheater Staatsoper, Volksoper und Burgtheater (im Bild).

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Bundestheater-Holdingchef Christian Kircher sieht die errungenen Ausfallshonorare als einen "Akt der Wertschätzung gegenüber Leuten, mit denen wir auch in Zukunft wieder arbeiten wollen".

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Wochenlang waren die großen Bundestheater Staatsoper, Volksoper und Burgtheater wegen der Covid-Krise geschlossen. Der Millionenentgang bei den Einnahmen konnte nur durch Kurzarbeit einigermaßen abgefedert werden. Fixen Beschäftigten erging es dabei besser als den zahlreichen kurzfristig engagierten Gastkünstlern. Sie liefen Gefahr, aufgrund der Höhere-Gewalt-Klausel in ihren Verträgen gar keine Gagen mehr zu sehen.

Der Widerstand, der sich dagegen regte, war nun von Erfolg gekrönt: Der Bund, die Theater und Künstlervertreter sind sich einig geworden, dass ein prozentueller Teil der Gagen individuell angepasst als Ausfallhonorar ausgezahlt wird, wie Bundestheater-Holdingchef Christian Kircher dem STANDARD berichtet. Konkret unterbreite man den Betroffenen Angebote im mittleren zweistelligen Prozentbereich, sozial gestaffelt und orientiert am Kurzarbeitsgehalt sowie an internationalen Beispielen wie der Bayerischen Staatsoper. Angebote an 150 Gastkünstler gehen diese Woche raus.

Gastverträge werden evaluiert

Der Passus der Höheren Gewalt, zu dem es widerstreitende Rechtsansichten gibt, werde zwar intakt bleiben, um etwa im Falle eines Theaterbrandes Sicherheit zu haben. Dennoch, so Kircher, habe die Corona-Krise gezeigt, "dass rechtlich manche Dinge nicht so klar sind, wie beide Vertragspartner gedacht hatten". Man habe die außergerichtliche Einigung gesucht, weil ein Verfahren beiden Seiten große Unsicherheit gebracht hätte. In dem Ergebnis sieht Kircher nun einen "Akt der Wertschätzung gegenüber Leuten, mit denen wir auch in Zukunft wieder arbeiten wollen".

Der generellen Kritik an Schikanen und Unsicherheiten in den Gastverträgen will sich Kircher detaillierter erst ab Herbst stellen: "Es hat sich gezeigt, dass es Diskussionsbedarf gibt, aber es betrifft uns nicht allein, sondern die ganze Branche." Mit offenem Ausgang werde man alle Verträge evaluieren und sich "anschauen, was ist fair und gerecht". Der Bund jedenfalls habe keinesfalls blockiert, "es gab ganz einfach hunderttausend Dinge zu regeln, und es gibt viele Häuser, die bis heute keine Regelung für die Gastverträge gefunden haben", so Kircher.

Unsicherheit im Herbst

Sorgen bereitet dem Holdingchef weiterhin die neue Saison: "Wenn wir ab Herbst spielen, haben wir die vollen Kosten, aber eine sehr unsichere Einnahmenstruktur. Ungewiss sind die weiteren Abstandsregeln über den 31. August hinaus, und wir wissen auch nicht, wie das Publikum reagiert."

Die Staatsoper etwa werde damit zu kämpfen haben, dass Touristen, die normalerweise 30 Prozent der Besucher ausmachen, eher fernbleiben werden, in allen Häusern habe man außerdem viel Publikum aus der Risikogruppe der Älteren. Der Verlust wurde im heurigen Geschäftsjahr auf 15 und 20 Millionen Euro geschätzt. Ein Großteil konnte durch Kurzarbeit und Einsparungen wettgemacht werden. Im nächsten Geschäftsjahr werde man aber eine Schadensabdeckung vom Bund brauchen.

Sparen kaum möglich

Weiter ausgabenseitig zu sparen sei aufgrund der schon in den letzten Jahren gesetzten Maßnahmen kaum möglich, millionenschwere Reserven wurden etwa zuletzt aufgebraucht, um die Burgtheaterkrise zu meistern. "Wenn wir über Schließtage Einsparungen machen, würde das eine Vorlaufzeit von zwei Jahren erfordern. Wir haben fixes Personal und die gesetzliche Verpflichtung, an 300 Tagen im Jahr zu spielen. Der Ersatz von neuen Premieren durch Repertoirevorstellungen ist sehr zwiespältig, weil sich dann das Publikumsinteresse erschöpft – das wäre ein Teufelskreis", warnt Kircher, der außerdem die anstehende Anpassung der Basisabgeltung vom Bund einfordert: "Wir sind bald im siebten Jahr mit derselben Abgeltung. Ohne Corona hätten wir das nächste und vielleicht übernächste Jahr geschafft, aber so sind wir am Ende der Fahnenstange."

Eine seit langem geforderte automatische Inflationsanpassung der Subvention hielte der Holdingchef "selbstverständlich" für am sinnvollsten, wenngleich er nach vier Jahren im Amt den politischen Willen dazu nicht erkennen kann. Kirchers eigener Vertrag endet im März 2021, sein Posten werde demnächst neu ausgeschrieben, und er wolle sich um eine Verlängerung bewerben.

Die scheint dem besonnenen Kulturmanager ziemlich sicher zu sein, wenngleich die erfolgreiche Bilanz seiner ersten Amtszeit zuletzt auch durch einen Fauxpas getrübt wurde: Beim Versuch, einen neuen Geschäftsführer für die Art for Art Theaterservice GmbH zu bestellen, wurde man von einem offensichtlich über Jahre unentdeckt gebliebenen Hochstapler hinters Licht geführt. Die Stelle wird nun ebenfalls neu ausgeschrieben. Und natürlich werde man "alles unternehmen", so Kircher, "um die Bundestheater schadlos zu halten". (Stefan Weiss, 23.6.2020)