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Tim Cook, Apple-Chef

Foto: Brooks Kraft / AP

"Es ist ein historischer Tag für Apple": Mit diesen Worten leitete Apple-Chef Tim Cook am Montagabend jenen Teil der Keynote zur World Wide Developers Conference (WWDC) ein, der mit besonderer Spannung erwartet wurde. Und es kam, was sich schon länger abgezeichnet hatte: Apples Ausstieg aus der Intel-Welt.

Alleingang

Unter dem Namen "Apple Silicon" will der Hardwarehersteller künftig auch für seine Mac-Reihe eigene Prozessoren einsetzen. Und zwar durch und durch: Nicht nur die zentrale Recheneinheit soll von Apple selbst stammen, auch Grafikeinheit, Beschleuniger für Maschinenlernaufgaben, der Hochsicherheitsbereich "Secure Enclave" und viele andere Komponenten stammen aus der Entwicklungsabteilung des kalifornischen Unternehmens.

Alles wird besser. Ganz ehrlich.

Die Versprechen, die Apple in diesem Zusammenhang abgibt, sind vollmundig: Denn natürlich sollen die eigenen Prozessoren den gewohnten Intel-Chips in jeder Hinsicht überlegen sein. Das bedeutet vor allem, dass sie bei einer vergleichbaren Performance erheblich weniger Strom verbrauchen sollen. Zudem gibt es damit künftig eine gemeinsame Prozessorarchitektur für sämtliche Apple-Geräte, kommen die nun auch für den Mac vorgesehenen Chips der A-Reihe doch schon bisher bei den Smartphones und Tablets des Unternehmens zum Einsatz. Diese Vereinheitlichung hat denn auch tatsächlich äußerst interessante Nebeneffekte. So können in Zukunft Apps für iOS und iPadOS ohne jegliche Anpassungen auch direkt unter macOS laufen. Und nicht zuletzt könne man so Hard- und Software künftig endlich auch bei Desktops und Laptops gemeinsam entwickeln – ein Vorteil, mit dem Apple gerne für seine mobilen Geräte wirbt.

Bessere Leistung bei niedrigerem Stromverbrauch: Das verspricht Apple für seine Prozessoren.
Grafik: Apple

Der Zeitplan für all das ist nicht weniger ambitioniert: Bereits Ende des Jahres sollen die ersten Macs mit einem auf der ARM-Architektur basierenden Prozessor auf den Markt kommen. Innerhalb der kommenden zwei Jahre soll dann die gesamte Produktpalette des Unternehmens umgestellt werden. Klingt also alles hervorragend. Doch die Realität dürfte von den Apple-Versprechen dann doch deutlich divergieren. Ganz so reibungslos, wie der Hardwareanbieter dies darstellt, wird das alles wohl kaum ablaufen – und das bedeutet auch, dass sich Mac-Nutzer auf einige Probleme und so manche schwere Entscheidung einstellen müssen. Aber der Reihe nach.

Vorgeschichte

Es ist nicht das erste Mal, dass Apple die Prozessorarchitektur wechselt. Bereits Anfang der 90er-Jahre war das Unternehmen von Motorolas 68000er-Plattform – die auch von Amiga und Atari ST verwendet wurden – zu PowerPC-Prozessoren gewechselt. Nachdem Apple-Boss Steve Jobs jahrelang die vermeintliche Überlegenheit dieser Chips gegenüber der im PC-Bereich dominierenden x86-CPUs propagierte, kam dann 2005 der große Schock für viele Mac-Fans: Apple stellte sich einem Realitätscheck und schloss sich der Intel-Welt an.

Das Unternehmen hat also bereits Erfahrung mit solchen Umstellungen – die Nutzer allerdings auch. Und wer solch einen Umzug schon einmal mitgemacht hat, der wird zweifellos wissen, dass so etwas nie ohne Probleme abläuft. In seiner Präsentation betont Apple natürlich, dass man bestens vorbereitet sei. Die eigenen Programme seien bereits allesamt auf die neuen ARM-Prozessoren portiert worden. Und auch wichtige Partner wie Microsoft und Adobe arbeiten derzeit eifrig an der Anpassung ihrer zentralen Programme für die neue Plattform. Tatsächlich konnte man diese Behauptung mit – wenn auch einfachen – Demos von Microsoft Office, Photoshop und Lightroom untermauern.

Ein Kinderspiel

Überhaupt sei die Einpassung von Programmen auf die ARM-Basis ein Kinderspiel, versichert Apple. "Die meisten Entwickler können ihre Apps innerhalb weniger Tage zum Laufen bringen", versichert Apples Softwarechef Craig Federighi. An anderer Stelle behauptete das Unternehmen gar, dass eigentlich nur die Pakete in der Entwicklungsumgebung neu erstellt werden müssen. Versprechen, die Softwareentwickler freilich schon unzählige Male von Herstellern gehört haben und die in der Praxis nie halten.

Einfach nur neu kompilieren – ganz so einfach wird es wohl doch nicht werden.
Grafik: Apple

Kompatibilität

Zumindest hat sich Apple auch dafür etwas einfallen lassen. Mit "Rosetta 2" wird es eine Emulationsschicht geben, über die für x86 geschriebene Programme auf einem ARM-Mac ausgeführt werden können. Zudem ist es dank "Universal 2" möglich, ARM- und x86-Versionen eines Programms in einem Paket zu kombinieren. Wer sich über die Versionsnummern wundert: Sehr ähnliche Technologien gab es schon, um den Umstieg von PowerPC-Chips abzufedern. Apple verspricht in diesem Zusammenhang Top-Performance und demonstrierte dies gleich mit einem 3D-Spiel: Es gab also "Shadow of the Tomb Raider" in der x86-Version auf einem Mac mit Apple-Chips zu sehen. So ganz begeistern konnte dieses Demo dann aufgrund der begrenzten Grafikeinstellungen allerdings nicht. Wie gut das Ganze also in der Praxis funktioniert, muss sich insofern erst zeigen.

Offene Fragen

Das Gleiche gilt für den Bereich Performance: So groß die Versprechen von Apple sind, so gering waren nun die gelieferten Informationen. Dass sich die Apple-Chips auf Smartphones und Tablets hervorragend schlagen, ist unbestritten. Aber auf Laptops und – vor allem – Desktop-System stellen sich nun einmal komplett andere Arbeitslasten. Hier einfach die bekannten Benchmarks aus dem mobilen Bereich zu übernehmen hilft nur begrenzt weiter. Und auch was die Sparsamkeit von Smartphones anbelangt, darf natürlich nicht vergessen werden, dass diese nicht zuletzt auch auf das Betriebssystem zurückzuführen ist. Also dass etwa iOS wesentlich beschränkter als macOS ist – vor allem was das Multitasking anbelangt, also das gleichzeitige Laufen mehrerer Programme.

Um hier nicht falsch verstanden zu werden: All das soll nicht die alte Erzählung von nur für Smartphones und Tablets brauchbaren ARM-Chips aufwärmen. Diese ist längst überholt, ARM-Prozessoren finden zunehmend auch bei Servern Beachtung, und seit kurzem ist sogar der schnellste Supercomputer der Welt mit solchen Chips ausgestattet. Trotzdem bleibt dieser Punkt in Hinblick auf die Macs eine offene Frage. Zumal die Demos, die Apple in diesem Zusammenhang zeigte, bei näherer Betrachtung nicht sonderlich herausfordernd waren.

Testsysteme

Zumindest sollte es schon bald eine gewisse Orientierung in diese Richtung geben. Hat Apple parallel zur Ankündigung doch auch ein Testsystem für Entwickler vorgestellt, das bald an die ersten Interessenten geliefert werden soll. Dabei handelt es sich de facto um einen umgebauten Mac Mini, in dessen Innerem ein Apple-A12Z-Bionic-Prozessor mit 16 GB RAM und einer 512-GB-SSD kombiniert ist. Ein endgültiges Bild wird aber auch das nicht liefern, immerhin handelt es sich dabei um einen bereits bekannten Chip, der auch in den aktuellsten iPad Pros zum Einsatz kommt. Für die ersten ARM-Macs ist aber davon auszugehen, dass Apple zu einem neueren Prozessor greifen wird.

Schwierige Wahl für die Nutzer

Was bedeutet all das nun für Mac-User? Am einfachsten ist es wohl für jene, die ihre Zeit am Rechner ohnehin fast zur Gänze im Browser verbringen. Für diese sollte es komplett egal sein, ob unter der Haube ein x86- oder ein ARM-Prozessor läuft. Deutlich schwieriger wird es schon für Power-User. Neben potenziellen Kompatibilitätsproblemen mit gewohnten Programmen kommt auf diese nämlich noch eine andere Änderung zu: Der Dual-Boot mit Windows ist mit der Umstellung natürlich Geschichte.

Verstärkt stellt sich diese Problematik dann noch für Softwareentwickler. Zwar demonstrierte Apple eine Virtualisierungslösung von Parallels. Dass in dieser dann Linux und nicht Windows zu sehen war, ist aber wohl kein Zufall. Immerhin gibt es von Linux auch ARM-Versionen, zum Thema Windows und ARM schweigen wir hingegen besser. Zudem spielen Container in der Entwicklung seit Jahren eine wichtige Rolle, und auch wenn Apple bewusst Docker-Support vorzeigte, so ist doch unbestritten, dass das Angebot an ARM-Containern bisher vergleichsweise klein ist. Das wird sich natürlich ändern – Probleme sind auf absehbare Zeit trotzdem vorprogrammiert.

Zuschlagen bei Intel-Macs

Bliebe natürlich die Wahl, sich stattdessen noch schnell einen Intel-Mac zu kaufen. Und tatsächlich kündigte Apple auch an, dass heuer sogar noch neue Modelle mit x86-Prozessor auf den Markt kommen und "auf viele Jahre hinaus" unterstützt werden sollen. Die Erfahrung der Vergangenheit zeigt aber auch: Das mit dem Support ist so eine Sache. Denn selbst wenn Apple sich in dieser Hinsicht keine Blößen gibt, so ist es nicht weniger unerfreulich, wenn dann in ein paar Jahren das Angebot an verfügbaren aktuellen Programmen für x86-Macs immer dünner wird – und die Entwickler sich immer weniger um diese Plattform scheren. Alles Abwägungen, die für Unternehmen übrigens noch viel stärker zum Tragen kommen – und diese vor eine schwierige Entscheidung stellen.

Alles aus einer Hand: der Plan von Apple.
Grafik: Apple

Was bedeutet das für die Zukunft von macOS?

Und dann wären da noch ein paar Fragen, auf die Apple bisher noch gar nicht eingegangen ist. Und die insofern vorerst dem Bereich der Spekulation überlassen bleiben – der dafür hier aber besonders verlockend ist. Denn auch jenseits der direkten Unterstützung für iOS- und iPadOS-Apps ist unübersehbar, dass sich macOS und die anderen Apple-Plattformen immer stärker annähern. Das zeigt sich in der kommenden macOS-Version bereits auf den ersten Blick. Das neue Design hat unübersehbar Anleihen bei den mobilen Systemen genommen. Doch auch sonst schreitet die Verzahnung der Plattformen unweigerlich voran.

Diese zunehmende Konvergenz wirft automatisch Fragen über die weitere Ausrichtung von macOS auf. Wird Apple dieses weiter so – im Vergleich zu iOS – offen wie bisher gestalten? Wird es künftig etwa noch möglich sein, andere Betriebssysteme auf einem Mac zu installieren? Oder sperrt Apple seine Rechner künftig ähnlich wie seine Smartphones ab? Immerhin hat sich der Windows-Support ohnehin erledigt, und Linux auf einem Macbook zu installieren war schon bisher eher etwas für äußerst Bastelfreudige. Und wie sieht es mit dem App Store aus? Bleibt dieser optional, oder soll er auch hier zum exklusiven Vehikel für die Auslieferung von Software werden? Für Apple hätten solche Änderungen unleugbare Vorteile, und der Architekturwechsel bietet die perfekte Möglichkeit, um die macOS-Welt auch sonst gleich einmal umzukrempeln.

Klare Motivationslage

Bei alldem stellt sich natürlich die Frage: Warum macht Apple das überhaupt? Nach außen kommuniziert man vor allem die versprochenen Vorteile in Hinblick auf Performance und Akkulaufzeit. Zudem bringt die Vereinheitlichung der diversen Betriebssystemplattformen auf eine Architektur unzweifelhaft Vorteile für das Unternehmen. Aber es gibt natürlich auch konkrete wirtschaftliche Interessen. Immerhin nimmt man damit einen zentralen Kostenfaktor unter die eigenen Fittiche und kann so auch Produktionskosten und Gewinnmarge besser steuern – also, anders gesagt, mehr Geld machen.

Der Verlierer

Klar ist jedenfalls, dass es einen eindeutigen Verlierer dieser Ankündigung gibt: Intel. Im Gesamtgeschäft des Prozessorherstellers mag Apple nur einen relativ kleinen Teil ausmachen – hier dominieren vor allem Chips für Server und Cloud-Systeme. Und doch ist der Apple-Umstieg ein äußerst symbolträchtiger Verlust, bröckelt damit doch die x86-Dominanz gleich an mehreren Ecken: am Desktop neben dem Apple-Wechsel auch durch Chromebooks, und in der Cloud ist es kein sonderliches Geheimnis, dass so manch großer Anbieter an eigenen Prozessoren arbeitet – oder diese sogar schon einsetzt.

Popcorn

Eines muss man Apple bei alldem lassen: Auch wenn viele Auswirkungen der aktuellen Ankündigung derzeit noch unklar sind – zumindest hat man damit den Hardware-Wettlauf bei Laptops und Desktops wieder ein ganzes Stück interessanter gemacht. Und das ist zumindest aus Beobachtersicht schon einmal ein echter Gewinn. (Andreas Proschofsky, 23.6.2020)