Forscher fanden in Daten der Raumsonde New Horizons Hinweise darauf, dass Pluto eine warme Kindheit gehabt haben könnte.

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Die blauen Pfeile zeigen einige der Gräben auf Pluto an, die durch Dehnung entstanden sein dürften.

Foto: NASA/Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/Southwest Research Institute/Alex Parker

Pluto ist ein eisiger Himmelskörper. Lange galt er als äußerster Planet des Sonnensystems – bis die Internationale Astronomische Union (IAU) im Jahr 2006 eine neue Definition für Planeten eingeführt hat. Pluto erfüllt die neuen Kriterien nicht und gilt seither als Zwergplanet. Auf der Erde führt seine "Degradierung" bis heute zu hitzigen Debatten, Pluto selbst dürfte das freilich im engeren Wortsinne kalt lassen: Auf seiner von gefrorenem Methan, Stickstoff- und Wassereis bedeckten Oberfläche herrschen Temperaturen von minus 220 Grad Celsius. Das war aber womöglich nicht immer so.

Wie Forscher im Fachblatt "Nature Geoscience" berichten, könnten Pluto und vermutlich auch andere Zwergplaneten im Kuipergürtel in den Außenregionen des Sonnensystems eine "heiße" Vergangenheit haben: Bei seiner Entstehung könnte sich Pluto durch ständige Einschläge kleinerer Himmelskörper stark genug aufgeheizt haben, um schon früh einen flüssigen Ozean zu bilden.

Fruchtbarer Vorbeiflug

Vieles von dem, was wir heute über Pluto wissen, verdanken wir der Nasa-Raumsonde New Horizons, die den Zwergplaneten 2015 besuchte. Bei ihrem Vorbeiflug in 12.500 Kilometern gelangen der Sonde spektakuläre Fotos – und spannende Beobachtungen: Plutos Oberfläche, so stellte sich heraus, ist weitaus dynamischer als angenommen. Es gibt fließende Gletscher, überraschend hohe Berge, Hinweise auf Eisvulkane und einen einstigen unterirdischen Ozean. Doch wie ist das in so großer Entfernung zur Sonne möglich? Dafür gab es bislang eine vorherrschende Theorie.

Demnach war Pluto am Anfang seiner Entstehung ein kalter Eis- und Felsbrocken. Erst durch den Zerfall radioaktiver Elemente im Gesteinskern wurde genug Wärme erzeugt, die immer weiter nach außen dringen konnte – und schließlich Eisschichten in der Übergangszone zwischen Kern und Mantel langsam zum Schmelzen brachte. So könnte Plutos unterirdischer Ozean entstanden sein. "Plutos thermische Evolution und die Frage, wie dort ein Ozean entstehen konnte, beschäftigt Forscher schon lange", sagte Francis Nimmo von der University of California, Santa Cruz (UCSC), einer der Autoren der neuen Studie. "Dank New Horizons haben wir nun Aufnahmen von seiner Oberfläche und können die unterschiedlichen Prognosen mit Daten vergleichen."

Expansionsspuren

Wie Nimmo und Kollegen berichten, passen die Aufnahmen der Raumsonde nicht so recht zur Vorstellung einer kalten Zwergplanetengeburt: Da Wassereis beim Abschmelzen bekanntlich an Volumen verliert, müsste ein solcher Vorgang im Inneren des Himmelskörpers Spuren einer Kompression auf seiner Oberfläche hinterlassen haben: "Wir sehen aber keinerlei Hinweise darauf, dafür aber viele Spuren einer Expansion", so Studien-Erstautor Carver Bierson, ebenfalls von der UCSC. "Die Beobachtungen passen besser zur Annahme, dass Pluto zu Beginn einen flüssigen Ozean hatte, der allmählich zu Eis wurde."

So zeigen die New-Horizons-Aufnahmen in einigen Regionen tiefe Gräben, die durch Ausdehnung im tiefen Untergrund entstanden sein dürften. In den Daten konnten die Forscher zudem Hinweise auf sehr alte wie auch auf vergleichsweise junge Grabensysteme finden – was ebenfalls gegen den "kalten" Pluto-Start spricht. "Die thermische und tektonische Evolution des kalten Szenarios ist etwas kompliziert, da die unterirdische Eisschicht nach dem ersten Auftauen zumindest teilweise wieder gefrieren hätte müssen, es wäre also am Beginn zu einer Kompression gekommen, in der jüngeren Zeit dann zu einer Ausdehnung", schreiben die Wissenschafter.

Kosmisches Bombardement

Bei einem "heißen Start" hingegen müsste es Ausdehnungsspuren durch Plutos ganze Geschichte geben – und genau darauf deuten die Beobachtungen hin. Die Forscher vermuten, dass sich Pluto in seiner Entstehungsphase durch den kontinuierlichen Einschlag von Planetenbausteinen so sehr aufgeheizt haben könnte, dass sich unter seiner Kruste rasch ein flüssiger Ozean bildete. Als das kosmische Bombardement nachließ, kühlte der Zwergplanet zusehends ab, der Ozean begann zu gefrieren und die Dehnungsprozesse setzten ein, deren Spuren heute auf Plutos Oberfläche zu finden sind.

Nach Ansicht der Wissenschafter könnten auch andere Objekte im Kuipergürtel wie Eris und Makemake auf eine ähnlich wechselvolle Geschichte zurückblicken. Bierson: "Selbst in dieser kalten Umgebung, fernab der Sonne, könnten diese Welten einst heiß und mit flüssigen Ozeanen begonnen haben." (dare, 29.6.2020)