Dialog zwischen Stadt und Land: Katharina C. Herzog und David Leitner führen durch ihre Diplomarbeit "Würmlas Wände" – im Livestream.

Foto: Alexander Rauch

"Nein" lautet die klare Antwort auf die Frage, ob man ein Festival überhaupt in den digitalen Raum verlegen könne. Denn dieses lebe "vom Aufeinandertreffen von Menschen, vom gemeinsamen Erleben und vom Unerwarteten – vom Fest eben", argumentiert das kuratorische Team rund um Lena Kohlmayr. Und dennoch wird es stattfinden – als ein Fest der anderen Art startet das "Angewandte Festival 2020" ab Dienstag und läuft vier Tage lang: im "alternate.mode".

Vom Digitalen ausgehend, werden die im vergangenen Studienjahr entstandenen Arbeiten an der Universität für angewandte Kunst in Wien öffentlich präsentiert und auch physisch in die Stadt getragen: Das diesjährige (diverse und volle) Programm verbindet den digitalen mit dem öffentlichen Raum und lotet beide bis an ihre – aktuell möglichen – Grenzen aus.

Ganz nach ihrem Motto "Wir wenden Zukunft an" gilt es diese Krise auch als Kunstuniversität unbeschadet zu überstehen. "Wir werden wieder zurückkehren in die Werkstätten und Studios. Wir werden wieder von Angesicht zu Angesicht – ohne Bildschirm dazwischen – miteinander reden, Meinungen austauschen und Kontroversen austragen", schreibt Rektor Gerald Bast im Vorwort des Festivalprogramms. "Und das alles wird dann wichtiger und wertvoller sein als je zuvor."

Epizentrum Website

Dreh- und Angelpunkt des Festivals ist die neu (und sehr aufregend, bunt und verspielt) gestaltete Website www.angewandtefestival.at. Dort werden sich neben klassischen Infos zu Terminen und Timetables auch Streams, Videos, virtuelle Ausstellungen und Führungen, Performances, Workshops, Interaktionen, Diskussionen, Installationen und Podcasts über die vier Festivaltage versammeln – und so zu einer multifunktionalen Spielstätte mutieren. Viele der Programmpunkte, die sich im realen Raum ereignen werden, sind dann auch dort zu finden – und somit zeit- und ortsversetzt erfahrbar.

So verteilt die Abteilung Künstlerische Fotografie Arbeiten über die Stadt und lässt sie über Geotracking orten (Asphalt Gallery), mit einer Performance besetzen die Gruppe Bussi der Abteilung für Ortsbezogene Kunst und andere eine Baulücke in Hernals, die schließlich in einer als Stream übertragenen Interaktion gipfelt (Camping-Performance und Lücken füllen), und die Klasse für Ideen führt mit einer Livetour an urban gestaltete Fassaden in niederösterreichischen Dörfern (Würmlas Wände). Analog und Digital reichen sich die Hände.

Wer die temporär bewohnte Baulücke in Hernals besuchen möchte, meldet sich unter lueckenfueller@gmx.at. Für alle anderen: Die finale Intervention wird auch online übertragen.
Foto: Gruppe Bussi

Ein Großteil der Events findet dennoch rein virtuell statt. Beispielsweise werden die Festivalabende den Sound Acts gewidmet, die in Kooperation mit dem Donaufestival, Hyperreality und UnitedWeStream jeweils ab 21 Uhr stattfinden werden. Ausstellungen wie The Cabinet of Curiosities der Architekturklasse werden nur online (und sogar 3D) gezeigt. Konferenzen wie jene vom Peter-Weibel-Forschungsinstitut für digitale Kulturen oder dem Talk "Kann Kultur Politik? Kann Politik Kultur?" mit Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler können als Streams mitverfolgt werden. Und auf Kurioses darf man gespannt sein: Einen Bienen-Livestream, ein interaktives Barbecue sowie einen Fledermaus-Cocktail gibt es auch.

Dass sich die Diplomführungen mit Vizerektorin Eva Maria Stadler zu den Abschlussarbeiten – als das Herzstück des Festivals – auf digitalem Weg sogar einfacher als sonst gestalten, kann man als Pluspunkt des alternativen Festivalmodus deuten. Vielleicht wandelt sich das Nein doch noch zu einem Jein. (Katharina Rustler, 23.6.2020)