Das unabhängige Info-Portal hatte mehrfach auf die Gefährdung seiner Existenz hingewiesen, nachdem bei der Agentur Intermedia ein Eigentümerwechsel erfolgt war.

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Budapest/Brüssel – Das größte unabhängige Onlineportal Ungarns, Index.hu, bangt weiter um seine Existenz als kritisches Medium. Nach Berichten über Umstrukturierungspläne ist der Chefredakteur des Portals, Szabolcs Dull, aus der Direktion der Index-Eigentümerin MFA entfernt worden. Er soll interne Informationen der Direktion an die Öffentlichkeit gebracht haben.

Diese Begründung gab Kuratoriumsvorsitzende Laszlo Bodolai den Schritt im Onlineportal Media-1.hu. Dull und mehrere Journalisten hatten am Sonntag wie berichtet in einem offenen Brief erklärt, dass es "Einfluss von Außen gebe", der zum Verschwinden der Nachrichtenredaktion führen könnte.

Umstrukturierungspläne veröffentlich

Das gleichsam unabhängige Nachrichtenplattform 24.hu hatte die internen Informationen über die bei Index geplanten Umstrukturierungspläne veröffentlicht. Nach diesen Plänen könnten Teile der Redaktion in externe Firmen ausgelagert und so die Unabhängigkeit des Portals und auch Arbeitsplätze in Gefahr gebracht werden. Geringere Werbeeinnahmen wegen der Corona-Pandemie werden seitens der Eigentümerin für diese Pläne angeführt.

Diese waren auch der Grund für den am Dienstag erfolgten Rücktritt des Generaldirektors der Index GmbH, Andras Pusztay. Dieser hatte bereits letzte Woche angekündigt, den Direktionsbeschluss reinen Gewissens nicht durchsetzen zu können. Details zu seiner Entscheidung wurden nicht bekannt.

Nachfolger

Bodolai hat laut Aussendung bereits einen Nachfolger gefunden. Er habe seinen "alten Juristen-Freund" Zsolt Zödi ersucht, diesen Posten zu übernehmen. "Seine Person ist für mich Garantie dafür, dass Index auch weiterhin als das in Ungarn am meisten gelesenen Onlineportal unabhängig und authentisch bleiben kann, denn es gibt kein anderes", schrieb Bodolai.

Zödi ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Rechtswissenschaftlichen Institutes der Ungarischen Akademie der Wissenschaften und Dozent an der Juristischen Fakultät der Universität von Miskolc. In einer Aussendung bezeichnete er es als sein Ziel, dass Index seinen bisherigen Wert und seine marktführende Position wahrt, wobei er mit der Mitarbeit der Redaktion rechne, zitierte das Onlineportal "444.hu".

Das unabhängige Info-Portal hatte mehrfach auf die Gefährdung seiner Existenz hingewiesen, nachdem bei der Agentur Intermedia ein Eigentümerwechsel erfolgt war. Der dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban nahestehende Geschäftsmann Miklos Vaszily hatte im März 50 Prozent der Anteile der Agentur erworben, die das Onlineportal mit Werbeeinnahmen ausstattet.

Laut dem offenen Brief vom Sonntag sieht das größte ungarische Onlineportal seine Existenz und die Prinzipien der inhaltlichen Unabhängigkeit und Unantastbarkeit der Redaktion in Gefahr. Denn der externe Druck und die geplanten Umstrukturierungen könnten zum Aus für die Redaktion führen, schrieb Dull in dem Brief. "Wir sind besorgt, dass wir auf einen Schlag mit einer organisatorischen Veränderung jene Werte verlieren, wegen denen Index zur größten und am meisten gelesenen Nachrichten-Website wurde." Index solle keine Nachrichtenseite sein, auf der Politiker, bei der Regierung Ein- und Ausgehende oder Wirtschaftsakteure über Inhalte entscheiden können.

Würgegriff

Laut dem Mitbegründer von Index und früherem Chefredakteur Peter Uj will die Regierung Orban die Tür aktuell nicht zuschlagen, sondern die meistbesuchte ungarische Nachrichten-Website in einen "immer engeren Würgegriff nehmen". Was bei Index zu sehen sei, wäre ein "langer Prozess, eine sich monoton verschlechternde Lage, die heute anscheinend eine neue Stufe erreichte", betonte Uj am Dienstag im Klubradio.

Das Portal hatte 2018 auf seiner Website ein Barometer hinsichtlich der aktuellen Unabhängigkeit der Redaktion mit drei Stufen eingerichtet: Grün für unabhängig, gelb für Gefahr und rot für nicht unabhängig. Gegenwärtig steht der Zeiger auf Gefahr. (APA, 23.6.2020)