Der Zaun, die Wasserstelle, einige Sträucher und Bäume waren schon da. Sonst erinnert heute kaum noch was an den ehemaligen Spielplatz hier am Ufer des Donaukanals auf Höhe der Erdberger Lände. Mehrere Jahre verwilderte alles, nachdem Schaukel, Sandkiste und Co abmontiert worden waren, dem Areal aber keine neue Nutzung zugewiesen wurde. Nur Hundebesitzer kamen beim Gassigehen vorbei. Und eines Tages auch Clemens Kauffmann und Nina Harm, die im Häuserblock gegenüber wohnen. "Wir dachten uns, da muss man doch etwas draus machen können." Schnell war die Idee geboren, einen Gemeinschaftsgarten zu gründen. Das ist nun vier Jahre her. Das Projekt gibt es nach wie vor.

Clemens, Elvira, Nina und Julia gehören der Kerngruppe im Gemeinschaftsgarten an.
Foto: Standard/Hendrich

Derzeit herrscht emsiges Treiben. Es wird gesägt, gebohrt und geschraubt. Studenten der Technischen Universität Wien errichten im Rahmen einer Lehrveranstaltung eine Art Pavillon, eine überdachte Sitzgelegenheit für den vorderen Bereich des Sophiengartens, der sowohl der Öffentlichkeit als auch den Vereinsmitgliedern zur Verfügung steht. Das ist den Initiatoren wichtig: Sie wollen sich nicht abschotten im öffentlichen Raum, sondern allen Anrainern die Gelegenheit bieten, hereinzukommen und zu verweilen. Gerade im Sommer, wenn die Menschen von der Hitze geplagt sind, soll es hier möglich sein, sich abseits von Betonwüste und prallem Sonnenschein aufzuhalten. Verkehrslärm begleitet einen dennoch. Nur wenige Meter entfernt vom Sophiengarten donnern die Autos auf der Lände stadtauswärts vorbei. Das Rauschen der Motoren muss man also ausblenden.

Viel Gemüse

Angebaut wird hier allerlei: Erdbeeren, Tomaten, Paprika, Salat, Kartoffeln und vor allem viele Kräuter. Neu in dieser Saison ist ein Hügelbeet, ansonsten sind Hochbeete aufgebaut. Im hinteren Teil des Gartens hat ein Imker Bienenstöcke aufgestellt.

Auch Schulprojekte wurden schon im Garten durchgeführt.
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"Wir können hier viel ausprobieren", sagt Julia Hofbauer, ebenfalls seit Anbeginn Teil des Gartenprojekts. Die Mitglieder, in der Kerngruppe sind es etwa zehn bis 15 Leute, kämen sich selten in die Quere. Ist es in anderen Community-Gärten oft so, dass jedes Mitglied sein eigenes Hochbeet hat, werden hier die Beete gemeinsam gepflegt. Jeder darf dann auch von allem Ernten. Die Gemeinschaft kommt ohne Gießplan aus. Streiterein um reifes Gemüse habe es noch nicht gegeben. Aber ein bisschen Struktur muss dennoch sein. So ist ein Mitgliedsbeitrag in Höhe von 10 Euro pro Jahr fällig, einzelne Leute zahlen auch mehr. Damit wird die Pacht an die MA 42 bezahlt und größere Investitionen getätigt, wie etwa die Besorgung von Erde oder Setzlingen.

Sozialer Charakter

"Für uns zählt vor allem der soziale Charakter", erzählt Kauffmann. Es gehe weniger ums Ernten als um das Tun selbst. Vor allem in der Corona-Zeit habe der Garten viel Zulauf erhalten. Familien mit Kindern seien täglich gekommen, weil die Spielplätze gesperrt waren, man dennoch Zeit im Freien verbringen wollte.

Der Sophiengarten ist einer von mehr als 90 solcher Projekte in Wien. Die Größen variieren. In den äußeren Bezirken werden ganze Felder von Bürgern gemeinsam gepachtet, um Gemüseanbau zu betreiben, in anderen Teilen werden kleinste Lücken genutzt.

Der Sophiengarten steht auch Anrainern offen, die nicht Mitglied im Verein sind.
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"Man braucht keine großartigen Voraussetzungen", schildert David Stanzel vom Verein Gartenpolylog, "Wasser zum Gießen und eine Grünfläche." Aber selbst diese ist nicht unbedingt notwendig, wenn es etwa um das Aufstellen von Hochbeeten gehe. Stanzel und seine Kollegen begleiten bereits seit 2006 österreichweit Urban-Gardening-Projekte. Es habe sich viel getan in dieser Zeit. Auch ihn fasziniert neben dem ökologischen der soziale Aspekt. Im Rahmen eines EU-Forschungsprojekts hat er festgestellt, dass urbane Gärten integrationsfördernd sind. Sie bringen unterschiedliche Leute zusammen. In Herkunftsländern sei Gärtnern oft sehr präsent. Sprache werde ganz nebenbei erlernt.

Um Urban Gardening weiter zu fördern, regt er an, die Stadt Wien solle eine Karte mit potenziellen Flächen veröffentlichen. Überhaupt fehlen ihm innovative Impulse und mehr proaktives Handeln auf diesem Gebiet.

In ganz Wien gibt es mehr als 90 Gartenprojekte, die dem Sophiengarten ähneln.
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Dabei hat sich Rot-Grün in Wien bereits vor einigen Jahren dazu bekannt, Urban-Farming-Initiativen zu unterstützen. Eingerichtet wurde die Stelle "Garteln in Wien" bei der Bio-Forschung Austria. Die Servicestelle berät bei allen Fragen zu Nachbarschaftsgärten oder Selbsternteparzellen. Interessenten können sich informieren, welche Möglichkeiten es gibt, in Wien gärtnerisch aktiv zu sein, auch wenn man keinen Privatgarten besitzt, schildert Projektleiterin Katharina Roth. Zusätzlich unterstützen etliche Bezirke, die Gebietsbetreuungen Stadterneuerung oder die Lokale Agenda 21 beim Initiieren neuer Gärten oder dem Pflanzen von Obst im öffentlichen Raum, so Roth. Weitgehend ausgeschöpft sei der Fördertopf der MA 42 (Wiener Stadtgärten), der zum Ziel hatte, in jedem Bezirk einen Gemeinschaftsgarten umzusetzen.

Die zuständige Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) zeigt sich zufrieden: "Gemeinsam zu garteln verbindet die Menschen und macht viele Grätzeln in Wien noch schöner und bunter."

Beete statt Büsche

Der Grünen-Mandatar Rüdiger Maresch möchte die Idee vom Verein Gartenpolylog aufnehmen und eine Karte mit verfügbaren Flächen anstoßen. "Es muss mehr solche Projekte geben", sagt er. Zwar gebe es schon Gärten in Gemeindebauten, aber die Fläche rund um "Plattenbauten", etwa im 20. Bezirk, sieht er als zusätzlich geeignet an. Statt Büsche und Wiesen könne man Gemüsebeete machen. Sima hingegen sagt: "Neue Anreize braucht es dazu nicht, weil die Projekte echt gut laufen, das Interesse ist erfreulich groß."

Es braucht nicht viel. Das sagen zwar auch die Betreiber des Sophiengartens im dritten Bezirk. Ganz ohne Bares kommen aber auch sie nicht aus. Sie zehren immer noch von einer Förderung eines Lebensmitteldiskonters, die sie ganz zu Beginn ihres Projektes bekommen haben. Nächstes Jahr müssen neue Hochbeete her, jene aus Paletten selbstgebauten drohen bald den Geist aufzugeben. (Rosa Winkler-Hermaden, 24.6.2020)