Die Kärntner HTL Ferlach bietet Tätowieren jetzt auch als Schulfach an.

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Es war gewissermaßen und sinngemäß ein Stich ins Wespennetz. Die Ankündigung der Kärntner HTL Ferlach, dass künftig Schüler eine fünfjährige Ausbildung zum Tattoo-Artist samt Matura und Diplom absolvieren können, "hat einen solchen Wirbel ausgelöst, der mich wirklich überrascht hat", sagt HTL-Direktorin Silke Bergmoser.

Die Innung der "Fußpfleger, Kosmetiker und Masseure", die auch die Tätowierer vertritt, ist wegen des neuen Schulfachs aus dem Häuschen und hat sich dem Vernehmen nach erbost an den zuständigen Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) gewandt – was in der Wirtschaftskammer offiziell dementiert wird. Direktorin Bergmoser muss jedenfalls jetzt schriftlich begründen, wie sie auf die Idee gekommen ist, Tätowieren an ihrer Schule anzubieten.

Der Hintergrund für die Erregung der Wirtschaftskammerfunktionäre findet sich in diversen Ausbildungsinfos der Bildungseinrichtung Wifi der Wirtschaftskammern: Ein "Vorbereitungskurs Tätowieren" am Wifi Tirol kostet zum Beispiel 4.550 Euro. Für das Tool "Ausbildung zum Tätowierer – Praxis" am Wifi Salzburg müssen 3.750 Euro bezahlt werden.

Die HTL Ferlach bietet die Ausbildung hingegen im Rahmen der Schulausbildung gratis an.

"Künstlerische Ausbildung"

"Ich kann die Aufregung nicht nachvollziehen. Wir verstehen uns ja als Kunsthandwerksausbildung, bei uns geht es ja um eine künstlerische Ausbildung, parallel zur Graveursausbildung", sagt Bergmoser. Hinter dem neuen Unterrichtsangebot sei die Überlegung gestanden, "den alten Beruf des Graveurs mit einem zeitgemäßen Berufsbild zu kombinieren. Daher haben wir die Ausbildung zum Tattoo-Artist erfunden."

"Beim Graveur", so steht's im Werbetext der HTL, "ist es zumeist Metall, das bearbeitet wird, beim Tattoo-Artist ist es die menschliche Haut. Zuerst wird am Papier und schließlich an Hautpräparaten oder an einem Kunsttorso gearbeitet, um so bestmöglich auf die Praxis im Berufsalltag vorbereitet zu sein. Die Fähigkeiten und Fertigkeiten des Tattoo-Artist und Graveur lassen sich daher bestens in einer Ausbildung vereinen. Unter anderem werden in den kreativen fachpraktischen Bereichen des Zeichentrainings zeichnerische Grundlagen, die Bereiche Perspektive, Licht, Schatten, Proportionen, Stile, Farbenlehre, Körperkinetik und Motivrichtung, Motivplanung, Farbenkunde der Tattoofarben, Grundlagen der Tätowiertechnik und das Entwickeln und Erstellen von Tattooentwürfen besonders behandelt."

Shitstorm in Foren

Während sich bereits aus dem ganzen Bundesgebiet Jugendliche an der Schule anmelden, geht auch in Onlineforen ein Shitstorm nieder. "Tätowierer haben halt nach wie vor einen etwas schlechten Ruf, sie seien etwas verrucht, und da glauben manche, die werden dann an der Schule Unruhe stiften oder die Schüler sich gegenseitig stechen. Wir müssen wohl noch besser kommunizieren, dass es bei uns um künstlerische Gestaltung geht", sagt Bergmoser.

So ganz unrecht ist der Direktorin der Wirbel aber doch nicht. Immerhin hat sich das neue Unterrichtsfach zu einem gelungenen PR-Coup entwickelt. (Walter Müller, 26.6.2020)