Die Frage nach nützlichen Robotern stellt sich auch im Rahmen der Corona-Krise immer wieder. Unterschiedliche Kulturen finden hier verschiedene Antworten. Lieferroboter zum Beispiel, die autonom Waren zustellen können, kamen aufgrund von Beschränkungen der Bewegungsfreiheit der Menschen vermehrt zum Einsatz, vor allem in Ländern wie den USA, Großbritannien und China. In den Medien tauchen Beispiele für Desinfektionsroboter auf, die Gegenstände, Krankenhäuser oder Straßen desinfizieren – vorrangig kommen diese im asiatischen Raum zum Einsatz.

Auch Pflegeroboter zur Unterstützung von Ärztinnen, Ärzten, Patientinnen und Patienten, die unter anderem Essen transportieren, Körpertemperatur messen, aber auch sozial isolierte Patientinnen und Patienten unterhalten sollen, werden immer populärer. Diese Art von Robotern wird auch in Europa eingesetzt. Besonders viele Beispiele finden sich jedoch für Überwachungsroboter, die für Sicherheit auf Straßen und in Gebäuden sorgen sollen. Diese Roboter sind zum großen Teil autonom, verfügen über Kameras und Sensoren und ersetzen oder begleiten polizeiliche Maßnahmen. In Ländern wie den USA, Katar, Tunesien, China und Singapur werden Überwachungsroboter bereits aktiv eingesetzt.

Erwartungshaltung an die Technologie

In meiner soziologischen Forschung zur Mensch-Roboter-Interaktion beschäftige ich mich unter anderem mit diesen Fragestellungen: Wofür wollen wir als Gesellschaft Roboter überhaupt nutzen? Wann schätzen wir einen Roboter als nützlich ein? Wie soll die Interaktion zwischen Mensch und Maschine gestaltet sein? Schon bevor wir in die Entwicklung des eigentlichen Interaktionsdesigns für Roboter gehen, müssen wir uns überlegen, wie unsere Erwartungshaltungen an diese Technologie gestaltet sind.

Der Begriff Mensch-Roboter-Interaktionsforschung wird oft mit Bildern aus Filmen wie "I, Robot" assoziiert, doch Serviceroboter sind nicht unbedingt multifunktionale menschenähnliche Maschinen, auch wenn daran selbstverständlich ebenso geforscht wird wie zum Beispiel am "Care-O-Bot" (Fraunhofer). Oftmals denken wir aber auch an moderne Industrieroboter, die Seite an Seite mit Menschen in Fabriken arbeiten. Aktuelle Anwendungsbereiche für Roboter, die in der Bevölkerung weniger bekannt sind, finden sich beispielsweise in der Landwirtschaft, unter anderem für Ernte oder Unkrautjäten, um körperlich schwere Arbeit zu automatisieren und den Mangel an Erntehelferinnen und Erntehelfern auszugleichen.

Care-O-bot 4, dargestellt als "true gentleman".
Foto: Fraunhofer IPA/Rainer Bez

Roboter im Pflegebereich

Ein Bereich, der in den Medien sehr viel Aufmerksamkeit erfährt, ist der Einsatz von Robotern in der Pflege von älteren Menschen. Es hält sich standhaft das Narrativ, dass Roboter die zu wenigen und zu schlecht bezahlten Pflegekräfte entlasten können, indem sie zum Beispiel körperlich anstrengende Tätigkeiten oder Routinetätigkeiten übernehmen. Damit hätten die Pflegekräfte mehr Zeit für emotionale Hinwendung, also für die "qualitative" Pflege.

Allerdings zeigt die Forschung, dass Pflegekräfte gerade die Routinetätigkeiten als Abwechslung brauchen, da ausschließlich emotionale Arbeit viel zu belastend wäre. Außerdem sind die emotionale, kognitive und instrumentelle Pflege keine losgelösten Einzeltätigkeiten, die sich trennscharf automatisieren ließen. Da wir aber die Pflege von Patientinnen und Patienten aus vielerlei Gründen nicht ausschließlich Robotern überlassen wollen, wird viel Forschung in technisch machbare Pflege investiert. Als Beispiel lässt sich hier der Roboter "Moxi" erwähnen, der in den USA als Unterstützung für das Pflegepersonal in Krankenhäusern schon zum Einsatz kommt, allerdings ohne direkten Kontakt zu Patientinnen und Patienten.

Moxi, dargestellt als Assistenz in einem Krankenhaus.
Foto: Moxi by Diligent Robotics/Daniel Cavazos

Was sollen Roboter eigentlich tun?

Am Beispiel von Robotisierung und Arbeit lässt sich veranschaulichen, wie relevant die Ausgangsfrage ist: Was sollen Roboter eigentlich tun? Wenn wir im industriellen Kontext an Roboter denken, haben wir schnell das oft beworbene Bild vom Roboter als modernem Arbeitskollegen im Kopf. Wir erzählen eine Geschichte der Robotisierung, in der Roboter Schulter an Schulter flexibel mit Menschen zusammenarbeiten. Diese Zusammenarbeit, auch wenn sie lediglich in einer geteilten Arbeitszelle stattfindet, führt aber unweigerlich zu einer Fragmentierung von Tätigkeiten; Studien zu Rhythmus, Geschwindigkeit, Sicherheit in der Zusammenarbeit sind allein schon deswegen relevant, um die Interaktion zwischen Arbeiterinnen, Arbeitern und Robotern zu optimieren.

Diese sogenannten Cobots (collaborative robots) haben somit nicht nur Einfluss auf eine Arbeiterin oder einen Arbeiter, die oder der in direkter Kollaboration mit dem Cobot steht, sondern auf den gesamten Arbeitsablauf. Das oft wiederholte Narrativ ist, dass die sogenannte Industrie 4.0 durch den Einsatz von flexiblen Cobots auch die Produktion von Waren in Europa halten kann und dass dadurch Ressourcen frei werden, damit Menschen wertschöpfendere Tätigkeiten ausführen können.

Aber auch in diesem Fall ist das Interaktionsdesign entscheidend, denn eine bloß überwachende Tätigkeit oder ein Einschreiten im Fehlerfall ist für die menschliche Kognition keine optimale Aufgabe und würde auch wenig Raum für kreative Wertschöpfung bieten. Es stellen sich auch Fragen zur Qualität beziehungsweise Degradierung von Arbeit, die mit der Robotisierung einhergehen. In weiterer Folge braucht es daher Studien zu Fähigkeitsprofilen: Was müssen Arbeiterinnen und Arbeiter in Zukunft können, um diese Cobots zu programmieren und sie überhaupt flexibel zum Einsatz zu bringen? Und wie müssen die Schnittstellen dafür aussehen?

Baxter, dargestellt als robotischer Arbeitskollege in der Fabrik.
Foto: RethinkRobotics

Eine entscheidende Frage der Mensch-Roboter-Interaktionsforschung ist also: Was wollen wir automatisieren? Erst dann können wir überlegen: Wie können wir das in einem Interaktionsdesign umsetzen? Es braucht also eine Kehrtwende zu der Frage, was Roboter Nützliches tun sollen, anstatt uns davon leiten zu lassen, was technisch für Roboter möglich ist. Die Roboter der Corona-Krise haben das verdeutlicht, vor allem auch hinsichtlich kultureller Unterschiede: Möchten wir in einer Gesellschaft leben, in der uns ein humanoider Roboter sagt, dass wir Abstand von anderen Menschen halten sollen? Technisch ist das machbar. Aber ist es eine Geschichte der Robotisierung, die wir erzählen wollen? (Astrid Weiss, 25.6.2020)