In-vitro-Fertilisation: wenn ein Kinderwunsch zu einer sehr technischen Angelegenheit wird.

Foto: apa

Bild nicht mehr verfügbar.

Die Befruchtung einer Eizelle im Labor – für Paare mit unerfülltem Kinderwunsch eine große Hoffnung.

Foto: ap

Fast alles im Leben ist eine Sache des Blickwinkels – auch das Kinderkriegen. Für viele junge Frauen liegt der Fokus darauf, nicht schwanger zu werden. Schule, Ausbildung, Beruf: Das sind die Meilensteine eines unabhängigen Frauenlebens, und deshalb wird die Frage einer Familiengründung erst einmal auf später verschoben.

Mediziner wie Heinz Strohmer und Andreas Obruca sehen in ihrem Beruf zumeist Frauen, die zu lange mit ihrem Kinderwunsch gewartet haben. Die beiden leiten das Kinderwunschzentrum an der Wien. "Die Hälfte aller ungewollt kinderlosen Frauen zwischen 30 und 39 hatte nie Zweifel an ihrer Fruchtbarkeit", sagt Obruca. Vielleicht wussten sie auf einer abstrakten Ebene, dass die Fruchtbarkeit ab dem 33. Lebensjahr abnimmt, ab dem 35. Lebensjahr 50 Prozent aller Eizellen defekt sind und es deshalb öfter Fehlgeburten geben kann. Doch auf sich selbst und ihre eigene Familienplanung bezogen sie solche statistischen Fakten fast nie.

Weil Strohmer und Obruca jeden Tag Frauen behandeln, die an ihrer Kinderlosigkeit leiden, geben sie einen eher ungewöhnlichen Rat. Sie empfehlen vor allem jungen Frauen, sich über ihre Fertilitätssituation einen Überblick zu verschaffen, "vor allem deshalb, weil es einen Blick in die Zukunft der nächsten zehn Jahre erlaubt".

Schwanger werden in Österreich

Die Fakten im Überblick: Durchschnittlich bekommen Frauen in Österreich mit 29,7 Jahren ein Kind. Zehn bis 15 Prozent aller Paare sind ungewollt kinderlos. Mehr als 16.300 Behandlungen zur In-vitro-Fertilisation wurden im Jahr 2018 durchgeführt. Gründe für die Kinderlosigkeit liegen zu gleichen Teilen bei Männern wie Frauen.

Strohmer und Obruca, die beide schon seit 35 Jahren in diesem Segment der Gynäkologie arbeiten, haben zuletzt eine Veränderung bezüglich der Ursachen von Kinderlosigkeit bemerkt. Lagen die Gründe vor 20 Jahren vor allem in der schlechten Qualität des Samens und Problemen mit Eileitern, hat heute die Anzahl der Frauen, die an Endometriose oder dem polyzystischen Ovarialsyndrom (PCOS) leiden, zugenommen, und oft sind es gerade diese Frauen, die nicht schwanger werden. "Ab dem 33. Lebensjahr ist das für eine ungewollte Kinderlosigkeit ein zusätzliches Risiko", sagt Obruca und empfiehlt einen Fertility-Check, "weil er Klarheit über die eigenen körperlichen Voraussetzungen bringt".

Konkret geht es bei diesem Check um eine Testung der Eierstockreserven. Der Anti-Müller-Hormon-Wert (AMH) erlaubt eine Einschätzung über den allgemeinen Fertilitätsstatus einer Frau. Eine Ultraschalluntersuchung komplettiert das Bild. Dabei wird zu Beginn des Zyklus die Anzahl der Follikel gemessen, die in den Eierstöcken heranreifen. Diese Untersuchung wird auch antraler Follikel-Count (AFC) genannt. "Das Ergebnis dieser Untersuchung kann die Empfehlung sein, Eizellen einzufrieren", sagt Obruca, als eine Option für später, wenn eine Frau zwischen 35 und 40 Jahren dann doch einen Kinderwunsch, aber plötzlich eine Reihe von Fehlgeburten hat.

Hormone als Ursache

Ein Fertility-Check gibt darüber hinaus auch Auskunft über die Hormonsituation. "Viele Frauen nehmen die Pille gegen Regelschmerzen," sagt Obruca und sieht hier auch die Verantwortung bei den Gynäkologen, die die Frauen betreuen. "Hormonstörungen, also ein Mangel des Gelbkörperhormons Progesteron, sollten in Verhütungsfragen mit in die Überlegungen einbezogen werden", sagt Obruca, der seit vielen Jahren eine PCO-Sprechstunde hält und weiß, dass bei vielen Frauen der Zuckerstoffwechsel gestört sein kann und eine Änderung des Lebensstils eine Verbesserung bringen kann. Die Lebensplanung von Frauen sollte unbedingt schon Mitte 20 beginnen, betont er, weil die Möglichkeiten, schwanger zu werden, Monat für Monat eingeschränkter werden. (Karin Pollack, 26.6.2020)