Der Angeklagte Matthias A. vor seinem Prozess im Gespräch mit seiner Verteidigerin Regina Krahofer.

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Wien – Matthias A. hatte einen Wunsch. Er wollte vor dem Nationalrat sprechen, um die zahlreichen Ungerechtigkeiten im Land anzuprangern, beispielsweise die Lebensmittelverschwendung. Da der 33-Jährige kein gewählter Abgeordneter ist, ließ sich dieser Wunsch nicht umsetzen. "Ich hab' mich im Parlament auch erkundigt, das wäre nur mit einer Einladung des Herrn Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka gegangen", erklärt der Niederösterreicher Richter Philipp Schnabel. Vor dem A. sitzt, da er am 28. April mit einer Machete ins Ausweichquartier des Parlaments in der Wiener Hofburg wollte – was für die Staatsanwältin eine versuchte schwere Nötigung ist.

Der Arbeitslose bekennt sich aber nicht schuldig. "Ich wollte nur reden", beteuert er. Die Hiebwaffe habe er nie einsetzen wollen, er habe sie in der Scheide am Rücken getragen. "Wofür hatten Sie die überhaupt dabei?", interessiert den Richter. "Ein Freund von mir hat ein Waldgrundstück, wo ich Holz schlägern darf, das ist ziemlich verwachsen", behauptet der Angeklagte.

Onkel alarmierte Polizei

Allerdings hatte er auf der Fahrt nach Wien seinen Onkel angerufen und diesem erzählt, dass er ins Parlament wolle. "Wenn's nicht geht, habe ich eine Machete dabei", kündigte er an, worauf der Verwandte die Polizei alarmierte.

Auch ein zweiter Zeuge verständigte die Exekutive: Maximilian V. war auf dem Naschmarkt spazieren, als A. mit seinem Kastenwagen stehen blieb und um Hilfe bat. Der Zeuge strafte das Klischee des grantigen Wieners Lügen, er stieg in das Fahrzeug. "Er hat mich dann gefragt, wo das Parlament ist", erinnert sich der 22-Jährige. "Und ob ich ihn filmen kann, wenn er versucht hineinzugehen."

"Netter, lieber Kerl"

Grundsätzlich habe A. wie ein "netter, lieber Kerl" gewirkt, er habe sich auch nicht geängstigt. sagt der Zeuge. Als der Angeklagte ihm allerdings die Machete zeigte und festhielt, dass er jemanden "umhacken" werde und es ihm egal sei, ob er erschossen werde, schwante dem Zeugen Übles. Geistesgegenwärtig dirigierte er A. zum leeren Parlament am Ring, stieg aus dem Lieferwagen und rief die Polizei.

A. machte sich weiter auf die Suche nach dem Nationalrat und ließ sich von einem Taxifahrer auf den Heldenplatz dirigieren. Am angrenzenden Ballhausplatz fiel er einem Polizisten, der die Präsidentschaftskanzlei bewachte, auf, der über Funk von der Fahndung nach einem Mann mit Machete erfahren hatte. "Ich bin zu ihm hingegangen und habe gesagt: 'Grüß Gott, haben Sie eine Machete dabei?'", schildert der Beamte.

Polizisten um Mund-Nasen-Schutz gebeten

A. sagt, er sei von sich aus auf den Polizisten zugegangen, um ihn um einen Mund-Nasen-Schutz zu bitten und den Weg zum Nationalrat zu erfragen. Als ihn der Polizist anwies, stehen zu bleiben und zu warten, folgte der Angeklagte anstandslos, bis er von der Wega festgenommen wurde.

"Dass es nicht gut ausschaut, wenn ich mich bewaffnet vor die Hofburg stelle, ist mir jetzt klar", sagt der laut Gutachten Zurechnungsfähige, ehe Schnabel ihn nicht rechtskräftig zu 15 Monaten, fünf davon unbedingt, verurteilt. (Michael Möseneder, 24.6.2020)