Ein neu zusammengesetzter ORF-Stiftungsrat soll auch seinen Vorsitzenden neu wählen, beantragt Hans Peter Haselsteiner (Neos). Stiftungsratschef Norbert Steger (FPÖ) erwartet da am Donnerstag "kein Erdbeben".

  • Update 25.6.2020 16.30: Haselsteiners blieb mit Antrag allein Der Antrag Haselsteiners auf Änderung der Geschäftsordnung wurde laut Sitzungsteilnehmern nur von Haselsteiner selbst unterstützt.

Das imposante weiße Sitzungstischoval ganz oben im ORF-Zentrum ist, virologisch gesehen, nicht imposant genug. Das oberste ORF-Gremium tagt Donnerstag im Studio 2 des ORF, mit Abstand und, wenn gewünscht, Maske. Und natürlich mit Norbert Steger (FPÖ) als Vorsitzendem. Auch wenn das Hans Peter Haselsteiner (Neos) gar nicht so natürlich findet.

Wenn wesentliche Teile des ORF-Stiftungsrats während der Funktionsperiode neu besetzt werden, soll der neue Stiftungsrat auch seinen Vorsitzenden neu bestellen, findet Haselsteiner. Er hat eine Änderung der Geschäftsordnung beantragt, die Donnerstag auf der Tagesordnung steht.

Demokratische Legitimierung

Haselsteiner erklärte seinen Antrag dem STANDARD so: "Theoretisch könnte eine Mehrheit oder ein wesentlicher Teil der Mitglieder den Vorsitzenden oder seinen Stellvertreter gar nicht mitgewählt haben. Das ist natürlich vollkommen undenkbar." Nach seiner Vorstellung soll der Vorsitz neu gewählt werden, wenn mehr als zehn Prozent der 35 Mitglieder – wie zuletzt im Frühjahr – auf einmal neu dazustoßen. "Das gebietet die demokratische Legitimierung des Vorsitzenden", sagte Haselsteiner. "Ein Schelm", der den Antrag gegen den Vorsitzenden Steger gerichtet sehe, ergänzte er.

Steger fiel vor und in den Monaten nach seiner Bestellung 2018 mit damals neuer ÖVP-FPÖ-Regierungsmehrheit im obersten ORF-Gremium mit Kritik an ORF-Journalisten und Drohungen auf, ihre Budgets zu kürzen.

Steger will überzeugt werden

"Wenn man mich loswerden will, gibt es immer einen rechtsstaatlichen Weg", sagt Steger dem STANDARD. "Vor allem, wenn man mich davon überzeugt, dass es gut wäre, wenn ich nicht mehr da bin." Er hätte erwartet, dass ihn Haselsteiner dazu kontaktiere, habe aber vom Ansinnen aus dem STANDARD erfahren. Und er wolle sich dazu nicht äußern.

Steger verweist da auf Aussagen des früheren FPÖ-Mediensprechers Hans-Jörg Jenewein, der Stegers Abgang aus dem Stiftungsrat ankündigte. "Er hat damit meine Lust ausgelöst, nicht weg zu sein." Und so "überzeugen mich Leute im Gegenteil, dass ich doch bleiben soll".

Steger erwartet nicht, dass der Antrag am Donnerstag "ein Erdbeben auslöst". Als möglicher Nachfolger gilt Lothar Lockl (Grüne). Der sagte dem STANDARD gerade, er sei mit seinem neuen ORF-Ratsmandat derzeit ausgelastet: "Wir haben einen Vorsitzenden."

ÖVP-nahe Mehrheit

Thomas Zach, Sprecher der ÖVP-Stiftungsräte, reihte Haselsteiners Antrag schon als "parteipolitisches Spielchen" ein, für die er "keine Zeit" sehe. Die ÖVP-nahen Stiftungsräte haben eine Mehrheit im obersten ORF-Gremium, mit der sie nicht nur Vorsitzende im Stiftungsrat, sondern auch im kommenden Jahr das ORF-Management alleine bestimmen können.

Der erfahrene Rundfunkrechtler Wolfgang Buchner, selbst lange oberster ORF-Jurist, sieht Haselsteiners Antrag im Widerspruch zum ORF-Gesetz.

ORF-General Alexander Wrabetz und Stiftungsratsvorsitzender Norbert Steger im Sitzungssaal – vor Corona.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH
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Themen im ORF-Stiftungsrat am Donnerstag

Donnerstag auf der Tagesordnung des ORF-Stiftungsrats vor dem Geschäftsordnungsantrag von Hans Peter Haselsteiner:

  • Sparprogramm 75 Millionen Euro muss der ORF im Corona-Gefolge einsparen. Gute Nacht Österreich ist infrage gestellt, die Zeit im Bild bleibt auch auf ORF 1. Landesstudios sollen acht Millionen sparen. Länder-Stiftungsräte fordern im Gegenteil mehr Regionalität.
  • Positives Ergebnis Der Stiftungsrat genehmigt den Jahresabschluss 2019 mit drei Millionen operativem Ergebnis und 12,6 Millionen operativem Konzernergebnis. 2020 wird der ORF nach bisherigen Prognosen 29 bis 54 Millionen Minus schreiben, 2021 soll er wieder ausgeglichen oder positiv abschließen.
  • ORF-Player Die ORF-Streamingplattform soll nun vor Jahresende 2020 starten etwa mit News-Kanal, Wissenschaft/Kultur, neuem TV-Player. Ein gelockertes ORF-Gesetz wird gerade erarbeitet.
  • Besetzung Auch "Bestellung von Geschäftsführern" steht auf der Agenda. Das könnte der vor Monaten ausgeschriebene Player-Manager (in der ORF-Onlinetochter) sein. Oder aber auch die – übliche – Bestellung des Italien-Korrespondenten zum Geschäftsführer der ORF-Tochterfirma in Südtirol. Das wird nun Cornelia Vospernik.

(fid, 25.6.2020)