Mireille Ngosso ist eine Wiener Kommunalpolitikerin, die vor kurzem vom Bürgermeister an wählbarer Stelle auf die Wiener SPÖ-Wahlliste gesetzt wurde. Frau Ngosso ist Ärztin, im Kongo geboren, in Wien aufgewachsen und war in der Bezirksvertretung des ersten Bezirks tätig, wo sie allerdings, ungeachtet ihrer Qualifikationen, von ihrer Partei nicht als Spitzenkandidatin aufgestellt wurde. Ihre Platzierung könnte man als Signal für ein längst fälliges Umdenken in der hiesigen Politik interpretieren: Die Migranten sollen sichtbarer gemacht werden.

Hunderttausende in Österreich lebende Menschen haben einen Migrationshintergrund. In den Wiener Volksschulklassen bilden die Migrantenkinder sogar die Mehrheit. Aber wenn man auf die politischen Vertretungen blickt, ist dieser Teil der Bevölkerung unsichtbar. Kein Stadtrat in Wien. Keine dunklen Gesichter im Parlament.

Die Wiener Kommunalpolitikerin Mireille Ngosso.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Als die in Sarajevo geborene Alma Zadić Justizministerin wurde, spielten die sozialen Medien verrückt. Auch auf der Leitungsebene der Gewerkschaften, die besonders viele zugewanderte Arbeitnehmer vertreten: Fehlanzeige. Als vor Jahren auf einer Betriebsräteversammlung in Oberösterreich die Frage gestellt wurde, wer von ihnen einen Migrationshintergrund habe, da erhob sich keine einzige Hand. Seit dem gewaltsamen Tod von George Floyd in den USA wird auch hierzulande viel über den anhaltenden Rassismus in Amerika gesprochen und geschrieben. Zu recht. Aber man muss auch dazusagen, dass es "dortzulande" – im Gegensatz zu Österreich – zahlreiche schwarze Abgeordnete, Bürgermeister, Kommunalpolitiker gibt. Und dass auch in Österreich schwarze Menschen durch Polizeigewalt zu Tode gekommen sind.

Potenzial

Als vor kurzem in Wien 50.000 vor allem junge Leute gegen Rassismus demonstrierten, war auch ein afrikanischer Gymnasiallehrer dabei. Er erzählte, er sei vor längerer Zeit grundlos von der Polizei festgenommen und stundenlang in einen Käfig gesperrt worden, mit der Bemerkung: Du bist ein Affe, da gehörst du hin. Am Ende wurde er wieder freigelassen, ohne Erklärung oder Entschuldigung. Der Vorfall blieb, trotz Beschwerde, weitgehend unkommentiert.

Von der FPÖ hört man, Migranten seien vorwiegend Drogenhändler und Schmarotzer. Über den damaligen Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs, Ludwig Adamovich, sagte Jörg Haider einst scherzhaft: Hat der überhaupt eine Aufenthaltsbewilligung? Das weckt die Erinnerung daran, dass Österreich seit jeher ein Einwanderungsland war und eine lange Tradition der Integration von Zuwanderern hat. Nicht nur Prinz Eugen war ein Zuwanderer, auch die Vorfahren der Sobotkas und Swobodas kamen von auswärts. Warum tun wir uns so schwer, angesichts der jüngeren Flüchtlingswellen auf dieser Tradition aufzubauen und zu zeigen, wie man das Potenzial dieser Menschen zum Wohle aller nutzen kann? Wenn bei uns Migranten sichtbar werden, dann nicht, weil sie von weitsichtigen Politikern "entdeckt" werden, sondern nur aufgrund individueller Leistungen. In der Musik, in der Kunst, in der Literatur, im Sport wimmelt es von ausländischen Namen. Mireille Ngosso hatte als schwarzes Flüchtlingskind im Gymnasium mit Schwierigkeiten zu kämpfen, schaffte trotzdem ein Medizinstudium, hatte Erfolg als Ärztin. Höchste Zeit, dass man Menschen wie sie nun auch in die Politik holt. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 25.6.2020)