Es wurde wieder gelockert – in Gastro, Kultur und Sport.

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Wegwerfen sollen wir die Maske bitte noch nicht, sagt Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nach dem Ministerrat, "wir werden sie noch brauchen". Dennoch wurden weitere Lockerungen beschlossen, sie betreffen vor allem die Bereiche Sport, Kultur und Gastronomie und treten ab 1. Juli in Kraft. Gelten wird die neue Verordnung bis Ende des Jahres – sofern die Infektionszahlen nicht rasant ansteigen. Das ist derzeit nicht der Fall – auch wenn immer wieder einzelne Cluster, wie etwa im Landesklinikum Neunkirchen, in dem sechs Mitarbeiter positiv getestet wurden, auftreten.

Mit den Lockerungen einher geht eine Strategieänderung, was das Verfolgen der Infektionskette angeht: So sollen künftig Veranstalter von Events mit über 100 Teilnehmern eine Kontaktliste führen, damit im Ernstfall schnell alle Beteiligten von einer Infektion informiert werden können. Datenschutzrechtlich könnte das heikel sein, weswegen die Regierung sofort betont, die Listenerstellung sei freiwillig.

Es gehe aber auch um Bewusstseinsbildung, klar soll werden: "Dort wo ich mich aufhalte, dort besteht die Möglichkeit einer Ansteckung", sagt Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne). Der kündigte außerdem an, dass kommende Woche ein "umfassendes neues Testprogramm" starten solle. Dabei werden etwa Menschen in prekären Arbeits- und Wohnsituationen im Fokus stehen. Warum? Das zeige der Blick auf den Corona-Cluster beim deutschen Fleischverarbeiter Tönnies. Der ist auch der Grund dafür, warum die Reisewarnung für die Region Nordrhein-Westfalen auf Stufe fünf angehoben wird.

Grafik: Fatih Aydogdu

In der Gastro fällt die Maske gänzlich, die Bar schenkt wieder aus

Am lautesten sind die Reaktionen auf die neuen Lockerungsschritte aus der Gastronomie-Branche, dort wurden doch einige Wünsche erhört. So müssen etwa Kellner und Kellnerinnen ab 1. Juli keinen Mund-Nasen-Schutz mehr tragen, das ist von da an Empfehlung statt Pflicht und wohl vor allem in den kommenden Sommermonaten eine Wohltat, wie der Bundeskanzler betont. Die Wirtschaftskammer und die Gewerkschaft Vida spendeten prompt per Aussendung Beifall, auch wenn zweitere noch mehr Tests in der Branche fordert.

Was sich ebenfalls bald ändert, ist die Sperrstunde: Statt erst um Sechs dürfen Lokale nun schon um Fünf Uhr früh aufmachen, vor allem für Bäckereien, die Arbeiterinnen und Arbeiter mit Jause versorgen und für Einrichtungen am Flughafen sei das eine Erleichterung, betont Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP).

Was die andere Seite der Nacht angeht, gibt es noch keine Klarheit – für Lokale der Nachtgastronomie und Clubs wurden bisher keine Erleichterungen verkündet. Die Situation dort sei schwierig, betont Anschober, immerhin könnte man dort keine Sitze aufstellen. Doch Gespräche würden laufen, noch gegen Ende nächster Woche sollen Details verkündet werden.

Ein bisschen mehr Partyfeeling kommt dennoch schon ab Anfang Juli auf, denn ab dann dürfen Bartheken ihre Ausschank wieder anwerfen.

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Heiraten und Geburtstag feiern darf man nun bis tief in die Nacht

Eine ausgefeilte und wohlüberlegte Gästeliste war wohl bei vielen Hochzeiten schon bisher üblich, nun gewinnt sie weiter an Relevanz: Das "freiwillige Tracking", also eine Übersicht aller erwarteten Gäste, soll ab erstem Juli auch bei Hochzeits- und Geburtstagsfeiern gelten, sofern unter* 100 Leute eingeladen werden. So viel Aufwand sollte das nicht sein, relativiert der Kanzler, bei einer Party wisse man ohnehin schon vorher, wer kommen wird.

Die wohl größere Änderung: Bei derartigen geschlossenen Veranstaltungen in gastronomischen Betrieben mit über 100 Gästen fällt die corona-bedingte vorgezogene Sperrstunde. Gefeiert werden darf also auch bis nach Ein Uhr früh – zumindest wenn die Partyteilnehmerinnen und -teilnehmer drei Tage vorher dem Betrieb bekannt gegeben werden, wie Köstinger konkretisiert.

Für Messen und Kongresse soll es einen Stufenplan bis in den Herbst geben, kündigte Köstinger an, ab nächster Woche sollen auf Fach- und Publikumsmessen außerdem wieder Vorträge und Seminare möglich sein.

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Die Lockerungen helfen im Kulturbereich eher wenigen

Kapazitäten auf 5000 (indoor) beziehungsweise 10.000 (outdoor) Besucher zu erhöhen bringt ergo den wenigsten Veranstaltern etwas. Selbst den Bundestheatern, die mit Staatsoper, Volksoper und Burgtheater sehr große Häuser betreiben, nützt die Lockerung nur in der Staatsoper mit ihren 1800 Sitzplätzen. Bei durchschnittlich zwei Karten je Kaufvorgang kann man unter Berücksichtigung der freizuhaltenden Plätze ab September nun 1200 Tickets pro Abend verkaufen, also 200 mehr als bis dato. Dort, wo wirklich große Dimensionen möglich wären, wie bei Popkonzerten und Festivals, helfen die Lockerungen nicht. Diese könne nicht im Sitzen veranstaltet werden, Acts aus dem Ausland dürfen ohnehin nicht einreisen, außerdem kann so kurzfristig nicht geplant werden. Große Konzertveranstalter wie Barracuda oder Arcadia Live fühlen sich vor den Kopf gestoßen und fordern endlich Ansagen bezüglich Stehplatzkonzerten.

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Die Freude auf einen sportlichen Sommer und die Hoffnung auf Fans

Hans Niessl als oberster Sportfunktionär des Landes hat der Regierung lange ordentlich eingeschenkt. Nachvollziehbarer Kritik, der Sport werde außer Acht gelassen, ließ der Präsident von Sport Austria am Mittwoch aber "ein Dankeschön an den Sport- und den Gesundheitsminister" folgen. Die Ankündigung von Lockerungen gebe dem Sport "Planungssicherheit". Dass ab Anfang Juli auch in Indoor- und Kontaktsportarten wieder ordentliche Trainings und Wettbewerbe abgehalten werden können, sei wichtig "für den Fortbestand der heimischen Sportkultur und damit für den Erhalt vieler Arbeitsplätze". Auch der Nachwuchs- und Breitensport bekam eine Perspektive, viele Veranstalter sportlicher Sommercamps und Kurse atmen auf. Kinder und Jugendliche müssen nicht mehr tunlichst auf Abstand achten, sondern können sich wieder zweikämpfend begegnen.

Wie sprunghaft sich die Zuseherzahlen ab September tatsächlich erhöhen, bleibt abzuwarten. Bis zu 5000 Fans sollen indoor, bis zu 10.000 outdoor möglich sein. Viele Auflagen sind noch zu definieren. Niessl geht davon aus, dass Vereine und Verbände "alles unternehmen, um eine Ausbreitung des Virus über den Sport zu unterbinden". Die Tennisevents des nun Corona-positiven Novak Djokovic sind Warnung genug. (Gabriele Scherndl, Amira Ben Saoud, Fritz Neumann, Michael Wurmitzer, 24.6.2020)