Am Mittwoch ging der Ibiza-U-Ausschuss in die dritte Woche. Der Andrang war groß. Geladen waren Bundeskanzler Sebastian Kurz, Öbag-Chef Thomas Schmid und Ex-Finanzminister Hartwig Löger. Weil sich die Befragung des Kanzlers dermaßen in die Länge zog, wurde Lögers Befragung am späten Nachmittag abgesagt.

Foto: Heribert Corn

Der Medienrummel war groß am Mittwoch, Fotografen wetteiferten um die beste Perspektive, als die Geladenen vor den Ibiza-Untersuchungsausschuss traten. Denn Ladungsliste war hochkarätig und mit Kanzler Sebastian Kurz, Öbag-Chef Thomas Schmid und dem ehemaligen Finanzminister Hartwig Löger sehr ÖVP-lastig.

Den Anfang machte am Mittwoch der Bundeskanzler, der auch Kanzler der türkis-blauen Regierung war, deren vermeintliche Machenschaften der U-Ausschuss aufzudecken oder gar zu beweisen gedenkt. Ob des Kanzlers fast fünfstündige Befragung einem Beweis für Postenschacher oder Korruption gleichkam, darf jedoch bezweifelt werden. Sie ist am Mittwoch nämlich wiederholt von Geschäftsordnungsdebatten unterbrochen worden. Die Oppositionsparteien stießen sich zudem immer wieder an der Vorsitzführung von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP).

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Neos wittern Postendeal

Zu Beginn der dritten U-Ausschuss-Woche wollten die Abgeordneten wissen, was der Bundeskanzler von umstrittenen Personalentscheidungen wusste. Etwa thematisierten die Neos die Bestellung von Thomas Schmid zum Öbag-Vorstand. Dazu erklärte Kurz, dass er Schmid seit rund zehn Jahren kenne und in unterschiedlichen Funktionen mit ihm "immer gut zusammengearbeitet" habe, in einer "freundschaftlichen Art und Weise". Schmid habe ihn informiert, dass er sich als Öbag-Vorstand bewerben wolle, und er habe ihn für "qualifiziert" gehalten, so Kurz. Die Entscheidung habe jedenfalls der Aufsichtsrat getroffen, und auf diesen habe er keinen Einfluss genommen.

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Die Neos vermuten jedenfalls ein Gegengeschäft, das so zustande gekommen sein soll: Der ÖVP-Mann Schmid wird Vorstand der Staatsholding, der FPÖ-Mann Peter Sidlo Finanzvorstand der Casinos. Kurz wiederholte am Mittwoch mehrfach, dass er sich für Sidlo nie starkgemacht habe. Der blaue Wiener Bezirksrat wurde unter dem damaligen Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) in den Posten des Finanzvorstands gehievt, obwohl der Personalberater den Juristen für den Job unqualifiziert hielt. Er habe zu wenig Erfahrung und sei mit der Glücksspielbranche nicht hinreichend vertraut, hieß es.

Casinos-Altvorstand Alexander Labak – darauf machte Neos-Fraktionsführerin Stephanie Krisper erst kürzlich aufmerksam – sagte in seiner Zeugenaussage im Dezember 2019 aus, er habe aus dem Umfeld der Staatsholding, die damals noch Öbib hieß, gehört, die Bestellung des Casinos-Vorstands sei mit der FPÖ-Zustimmung für die Alleingeschäftsführung Schmids bei der Öbag "verschränkt". Allerdings könne sich Labak nicht mehr daran erinnern, wer ihm das erzählt habe.

Nachrichten regelmäßig gelöscht

Kanzler Kurz wurde auch zu Parteispenden und E-Mail- sowie SMS-Verkehr mit seinen Regierungsmitgliedern befragt – und schweifte bei den Antworten immer wieder aus. Der Kanzler spiele auf Zeit, echauffierte sich Krisper während dessen Befragung via Twitter: "Neben Erinnerungslücken über Treffen zu brisanten Themen wie Aufsichtsratbesetzungen eine weitere Zermürbungstaktik."

Die Opposition forderte jedenfalls Einsicht in den Terminkalender sowie offizielle Korrespondenzen zwischen Kurz und seinen Ministern. Es könne nicht sein, dass es keine E-Mails zwischen Kurz und etwa dessen damaligen Ministern gibt, so Neos-Mandatar Helmut Brandstätter: "Dieser Terminkalender ist aus meiner Sicht unbedingt herbeizuschaffen".

Kurz wiederum sagte, dass er alles zu Archivierende dem Staatsarchiv übergeben habe. Privates hingegen würde er aus Sicherheitsgründen regelmäßig löschen. Der Kanzler bot den Abgeordneten an, Details zu seinem SMS-Verkehr mit dem ehemaligen freiheitlichen Vizekanzler Heinz-Christian Strache zu erläutern, allerdings in geheimer Sitzung. Die Mandatare waren zunächst geneigt, anzunehmen, lehnten dann nach einer einberufenen Stehung aber ab. FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker meinte, dass es sich bei dem Angebot offenbar eben nur um diese sicherheitsrelevanten Aspekte handelte und nichts Inhaltliches.

Video-Hinweis nicht ernst genommen

Der FPÖ-Abgeordnete wollte vom Kanzler auch wissen, wann er vom Ibiza-Video erfahren habe. "Ich habe eine Andeutung bekommen mit FPÖ-Russland-Bezug", sagte Kurz, er habe sie aber nicht ernst genommen. Als Strache wenige Tage vor der Veröffentlichung des Videos am 17. März des vergangenen Jahres mit ihm sprechen wollte, habe er aus familiären Gründen keine Zeit gehabt, so Kurz.

Auf die Frage von Hafenecker, wer denn die Partei führt, wenn er denn nicht mitbekomme, was um ihn herum passiere, meinte Kurz: "Jetzt platzt mir gleich der Kragen." Schließlich seien es Mitglieder der FPÖ gewesen, die mit ihrem Auftritt in Ibiza verantwortlich dafür gewesen seien, dass die Regierung geplatzt ist. "Ich habe sehr viel mitbekommen und habe als Parteiobmann immer meine Pflicht erfüllt", so Kurz. Zudem merkte Kurz an, dass er als Bundeskanzler über keine Richtlinienkompetenz verfüge, viele Entscheidungen und Personalbesetzungen wurden daher von den zuständigen Ministern getroffen.

Das "Projekt Edelstein" sprach derweil SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer an. In dem Projekt des Finanzministeriums geht es um eine einst geplante Teilprivatisierung des Bundesrechenzentrums (BRZ). Kurz erwiderte, dass es im Finanzministerium "immer wieder Ideen gibt", anscheinend sei eine Kooperation zwischen BZR und Post überlegt worden, so der Kanzler. Von wem er das erfahren habe, wollte Krainer wissen. Er wisse es nicht mehr genau, so Kurz: "Es hat mich schlicht und ergreifend nicht sonderlich interessiert." (Renate Graber, Aloysius Widmann, 25.6.2020)