Die 25- und 50-Euro-Gutscheine freuen einige Kunden, vielen Gastronomen bereiten sie Kopfzerbrechen. Während manche Gäste den Bon spenden möchten, schlagen andere Profit: Im Internet sind die Gutscheine bereits günstiger zu ergattern.

Foto: Christian Fischer

"Aha, so sieht der also aus." Herr Liu nimmt den Gastrogutschein in die Hand, begutachtet ihn von beiden Seiten. Auf der Rückseite gibt es nichts zu sehen, da ist der Gutschein weiß. Der Wert des Bons, der am Dienstag rund 950.000 Wiener Haushalten mit der Post ins Haus geflattert ist, steht auf der Vorderseite, die in Rosarot-Weiß gehalten ist.

"Sie sind der Erste hier mit diesem Gastrogutschein. Wissen Sie, wie das geht?" Ich wollte das eigentlich von Herrn Liu wissen. Der 40-jährige Chinese stammt aus Quing Tian, einer Stadt dreieinhalb Stunden mit dem Highspeed-Zug südlich von Schanghai entfernt. Er ist 1995 mit Eltern und Geschwistern nach Wien gekommen und hat 2005 das Restaurant an der Ecke Martinstraße/Schopenhauerstraße in Wien-Währing vom Vater übernommen.

Herr Liu hält die Gutscheine für eine "gute Sache".
Foto: Strobl

Er habe von der Gastrogutscheinaktion der Stadt Wien schon vor einiger Zeit erfahren und habe sich vorige Woche registrieren lassen. Eine erste E-Mail der Wirtschaftskammer mit dem Zugangscode für die Registrierung sei verloren gegangen, beim zweiten Versuch habe es funktioniert.

Betriebe müssen sich registrieren

Nur wer registriert ist, kann die Gutscheine im Wert von 25 (Singlehaushalt) oder 50 Euro (Mehrpersonenhaushalt) einlösen. In Wien haben das mittlerweile an die 2.000 Wirte, Kaffeehausbetreiber und Barbesitzer gemacht. Einlösbar sind die Gutscheine ab sofort bis längstens Ende September. Sie sind übertragbar, man kann sie aber nur für eine Rechnung nutzen. Der Restbetrag verfällt.

"Ich finde das eine gute Sache. Das bringt uns Umsatz und Kundschaft", sagt Herr Liu. Eines regt ihn aber auf: "Man hört in Verbindung mit dem Gutschein immer nur vom Wienerschnitzel. Genauso können aber auch andere Speisen konsumiert werden."

Am Dienstag waren die Gutscheine in Lokalen eher noch eine Seltenheit.
Foto: Christian Fischer

Die vergangenen Wochen und Monate seien schon hart gewesen, bereits Anfang März habe die Frequenz in seinem Lokal stark nachgelassen. Mitte Mai habe er einen Liefer- und Abholservice gestartet, beides will er fortführen. Auch den Mund-Nasen-Schutz wollen Herr Liu und sein Team weiter tragen, obwohl die Maskenpflicht für Restaurantmitarbeiter Anfang Juli fällt. "Sicher ist sicher", sagt der Vater dreier Kinder.

Fehlermeldungen und Fragen

Im Gasthaus Quell im 15. Wiener Gemeindebezirk ist der Gutschein noch kein großes Thema. Zwar hätten Gäste schon danach gefragt, sagt ein Kellner, eingelöst habe ihn aber noch niemand. Dafür würden Kunden viele Fragen stellen, die Modalitäten seien offenbar nicht für alle klar. Ein paar hundert Meter weiter stadteinwärts wanderten schon ein paar Gutscheine über die Theke. Im Mariahilfer Bräu ist man über das System nicht sonderlich erfreut. Bei der Eingabe des ersten Codes habe er prompt eine Fehlermeldung erhalten, erzählt der Wirt Walter Böck. Erst bei einem zweiten Anlauf nach Mitternacht glückte der Versuch. Vorher gesagt habe ihm das niemand. "Das Einscannen ist umständlich", klagt der Wirtshausbetreiber. Er versteht nicht, wieso die Gutscheine nicht einfach im Original eingereicht werden können.

Die Gastro-Betriebe in Wien sind wieder gut gefüllt. Nur mehr die Masken der Kellner erinnern an die Corona-Maßnahmen.
Foto: Christian Fischer

Auch bei anderen Wirten hält sich die Freude in Grenzen. Gleich mehrere Gastronomen erzählen im Gespräch mit dem STANDARD, dass sie nicht verstehen, wieso man nicht auf bereits bestehende Gutscheinsysteme zurückgegriffen hat. So sei der Mehraufwand beträchtlich. "Die Anmeldung ist kompliziert", sagt Tino Berut, der ein italienisches Bistro betreibt. Bisher habe er noch nicht die Zeit gehabt, sich zu registrieren. "Es bringt nicht viel, weil sie hier nur viel saufen", sagt der Gastronom lachend – alkoholische Getränke sind von dem Bon ausgenommen.

"Es zahlt sich nicht aus"

Das stellt auch das Café Rüdigerhof vor eine Herausforderung. Immerhin landen hier – vor allem an lauen Sommertagen – in erster Linie Bier und Spritzer auf den Tischen im Gastgarten. In dem Wiener Traditionslokal werden Gutscheine bis auf weiteres nicht angenommen. "Es zahlt sich nicht aus", sagt ein Kellner. Die Eigentümer hätten lange darüber nachgedacht, der Mehraufwand sei aber schlichtweg zu hoch.

Nicht alle Wiener Gasthäuser und Restaurants haben sich an der Aktion beteiligt. Für viele ist der Aufwand zu hoch.
Foto: Christian Fischer

Und was sagen die Kunden? Eine junge Frau erzählt, dass sie sich über den Gutschein gefreut habe, sie wolle ihn auf jeden Fall nützen. Ihre Freundin am Tisch ist etwas skeptischer: "Das ist ganz offensichtlich ein Wahlkampfgeschenk", meint diese. "Da gäbe es sinnvollere Orte, so viel Geld zu investieren." Bisher landete noch kein Gutschein in ihrem Postkasten. Ist er einmal da, will sie ihn an einen gemeinnützigen Verein spenden. Andere Wiener zeigten sich weniger spendierfreudig: Auf der Onlineplattform Willhaben werden bereits zahlreiche Gutscheine feilgeboten.

Aufgebrochene Briefkästen

Am Mittwoch gab es auch Berichte zu aufgebrochenen Briefkästen, aus denen die Gutscheine entwendet worden seien. Nikolai Moser, der Sprecher von Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke, sagte dazu, man sei in dieser Sache mit der Polizei in Kontakt. Diese meldete am Donnerstag die erste Anzeige dieser Angelegenheit in Wien-Floridsdorf. Die Exekutive rechnet mit weiteren.

Über das Ausmaß könne Moser keine Angaben machen. Wichtig sei für Betroffene, derartige Vorfälle den Behörden zu melden – immerhin gehe es dabei um eine Straftat. Zusätzlich solle man auch bei der Stadt Wien vorstellig werden. Diese könnte die entwendeten Gutscheine sperren lassen, was in einigen Fällen bereits geschehen sei. Nach einer Überprüfung des Sachverhalts gebe es dann auch Ersatz. (Günther Strobl, Nora Laufer, Manuel Escher, 25.6.2020)