Die Steiermark wählt am Sonntag in den Gemeinden.

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Es sind zwar lokale Wahlen, in deren Folge die Gemeinderäte in 285 Ortschaften der Steiermark – Graz ausgenommen – neu zusammengewürfelt werden, aber dennoch könnten diese Gemeinderatswahlen am Sonntag "unter anderem auch einen allgemeinen Stimmungstest für die Corona-Politik der türkis-grünen Bundesregierung liefern", vermutet der Grazer Wahlforscher und Politikexperte Heinz Wassermann von der Fachhochschule Joanneum. "Vor allem die vielen Klein- und Mittelbetriebe, die Gastwirte in den Gemeinden, die vielleicht unzufrieden sind über noch nicht geflossene Unterstützungen, könnten da oder dort für einige negative Stimmung sorgen", sagt Wassermann im Gespräch mit dem STANDARD.

Nicht abschätzbar sei auch, wie sich die Arbeitslosensituation auswirken werde, ob es hier womöglich politische Schuldzuweisungen geben könnte.

Die Gemeindewahlen am Sonntag sind im Grunde nur die Fortsetzung der ursprünglich für den 22. März festgesetzten Wahlen, die aber aufgrund der Covid-19-Pandemie abgesagt und für den 28. Juni neu angeordnet wurden.

ÖVP-Vormacht

Zumindest auf dem Papier sind auf den ersten Blick kaum größere Veränderung der politischen Landschaft in dem Bundesland zu erwarten. Politische Aufregerthemen, wie es vor fünf Jahren noch die Gemeindefusionen waren, tauchten diesmal nicht auf. Die ÖVP dürfte also ihre Vormachtstellung bei den Bürgermeistern behalten, sagt Wassermann. Das ist auch das Ziel der ÖVP. "Halten und weiter ausbauen", sagt Landeshauptmann und ÖVP-Chef Hermann Schützenhöfer. Detto der SPÖ-Juniorpartner in der Landesregierung. Auch die SPÖ will das Niveau halten. Die ÖVP stellt über 200 Bürgermeister, die SPÖ 74. Die ÖVP kam 2015 landesweit auf rund 43, die SPÖ auf 31,6 Prozent. Die FPÖ rangierte bei den vergangenen Gemeinderatswahlen bei knapp 14 Prozent, sie profitierte von den Protesten gegen die Gemeindefusionen.

Ruhig blieb es in den letzten Jahren auch in den Parteien selbst, innerparteiliche Querelen wie noch vor den letzten Wahlen, als sich zahlreiche Namenslisten abgespaltet hatten, blieben aus. Bis auf Mureck vielleicht, die kleine Stadt an der Grenze zu Slowenien, wo Toni Vukan als Bürgermeister fungiert. Vukan war langjähriger SPÖ-Landesgeschäftsführer, ehe er sich der Kommunalpolitik widmete und auf Anhieb die Absolute in Mureck erreichte. Jetzt hat er sich von der SPÖ losgesagt und kandidiert mit seinem ÖVP-Vizebürgermeister mit einer eigenen Liste. Was die Landes-SPÖ mit Erbosten zur Kenntnis nahm und eine eigene rote Liste ins Rennen schickte.

Apropos SPÖ. Für die steirischen Roten werden zwei Aspekte für Spannung sorgen: Bei der Nationalratswahl verlor die SPÖ in ihren Hochburgen in der Obersteiermark massiv an die türkise ÖVP. Ein Schockerlebnis für die Sozialdemokraten, die in Städten wie Leoben, Knittelfeld oder Kapfenberg noch immer über absolute Mehrheiten verfügen – und nun darum bangen. Zum einen ist da die Furcht, dass sich die Türkisen hier festgesetzt haben könnten, zum anderen die Corona-Krise. Die Gemeinderatswahlen müssen unter strengen Hygiene- und Abstandsvorschriften stattfinden, in der SPÖ hat man nun die Befürchtung, dass ein großer Teil ihrer älteren Stammklientel der Wahl fernbleiben könnte. Aus Angst vor einer Ansteckung.

Blaue Stimmen auf dem Markt

Eine nicht unbedeutende Rolle spielen auch die alten FPÖ-Wählerinnen und -Wähler. Die Blauen profitierten zuletzt eben von den Protesten gegen die Gemeindefusionen. "Es ist eher zu erwarten, dass ein Teil davon nun zu Hause bleiben wird oder eher ÖVP wählen wird", glaubt Wassermann. Für die SPÖ sei da wenig zu holen.

Dass es für die FPÖ nicht nur bundesweit nach Ibiza nicht mehr läuft, schlägt sich auch lokal nieder. Bei der FPÖ reduzieren sich, rechnete Wassermann aus, die Zahl der Kandidaturen um 3,2 Prozentpunkte. Bei den Grünen, die vom Bundesaufschwung nun profitieren könnten, erhöhte sich die Zahl der Kandidaturen um 5,4 Prozentpunkte. Und auch die Neos und die KPÖ schafften diesmal mehr Kandidaturen.

Was wurde eigentlich aus den Protestlisten? 2015 kandidierten noch 15 Namenslisten, die sich aus dem Protest gegen die Gemeindefusionen formiert hatten. Sie erreichten Stimmanteile zwischen 7,5 und 42,6 Prozent. Von diesen 15 Listen kandidieren 2020 nur noch sieben erneut. (Walter Müller, 25.6.2020)