Wegen der Corona-Pandemie wird das Unabhängigkeitsreferendum in Neukaledonien um einen Monat verschoben. Während auf der südpazifischen Inselgruppe ursprünglich am 6. September abgestimmt werden sollte, lautet der neue Termin 4. Oktober, wie das französische Innenministerium bekanntgab.

Diesen Termin hatte zuvor auch Frankreichs Premier Édouard Philippe favorisiert. Der Kongress Neukaledoniens hatte sich jedoch für den 25. Oktober ausgesprochen: 35 von 54 Kongressabgeordneten stimmten für diesen Termin. Der größte Block in der Vertretung, die gegen die Unabhängigkeit positionierte Koalition L'Avenir en confiance (Zukunft in Vertrauen, AEC), sprach sich hingegen für einen frühen Abstimmungstermin aus.

Zweites von drei Referenden

Das Referendum ist das zweite in einer Serie von drei möglichen Abstimmungen über die Unabhängigkeit des französischen Überseegebietes. Dies ist im Nouméa-Abkommen geregelt. Dem im Jahr 1998 unterzeichneten Abkommen war ein langer Konflikt zwischen den einheimischen Kanak und der französischen Kolonialmacht vorangegangen.

2018 stimmten 56,4 Prozent für die Beibehaltung des Status quo. 2022 kann es zu einem dritten Referendum kommen, wenn dies von einem Drittel des neukaledonischen Kongresses eingefordert wird.

In Nouméa wird im Herbst wieder über die Unabhängigkeit Neukaledoniens von Frankreich abgestimmt.
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Dem Referendum geht bereits seit Monaten ein rechtliches Gezerre um verschiedene Detailfragen zur Abhaltung des Votums voraus. Befürworter und Gegner der Unabhängigkeit versuchen sich eine optimale Ausgangsposition zu verschaffen, so wurde um die Regeln zur Erstellung der Wählerlisten gestritten.

Terminverschiebung wegen Corona

Die größte Pro-Unabhängigkeits-Partei, die Union calédonienne (Kaledonische Union, UC), hatte Philippes Terminvorschlag unter anderem wegen der bestehenden Corona-bedingten Einschränkungen kritisiert.

Der Hafen von Koumac im Norden der Hauptinsel.
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Der Front de libération nationale kanak et socialiste (Kanakische sozialistische Front der nationalen Befreiung, FLNKS), zu dem auch die UC zählt, argumentierte für einen späteren Termin. Da die Kommunalwahlen wegen Corona auf Ende Juni verschoben werden mussten, sei eine Vermischung der Lokalwahlthemen mit der Unabhängigkeitsfrage zu befürchten.

Die Quarantänebestimmungen seien auch ein Hindernis für Wahlbeobachter der Vereinten Nationen und der mehr als zweihundert Mitarbeiter der französischen Wahlbehörde, die für die Organisation des Referendums eingeflogen werden. Alle in Neukaledonien Einreisenden müssen sich in Quarantäne begeben, um das Coronavirus nicht auf die abgelegenen Inseln einzuschleppen.

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Am 4. Oktober müssen die Wahlberechtigten wieder zwischen Oui und Non entscheiden. Zuletzt stimmten 56,4 Prozent für den Verbleib bei Frankreich.
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Die Dauer der Quarantäne betrug zunächst drei Wochen – die strengste Regelung unter allen französischen Überseegebieten. Erst vor kurzem wurde die Abschottung auf zwei Wochen reduziert. In dieser Zeit müssen sich die Neuankömmlinge in einem von der Regierung Neukaledoniens kontrollierten Hotel aufhalten.

Alle 21 bisher nachgewiesenen Corona-Fälle in Neukaledonien betreffen eingereiste Personen. Zuletzt waren zwei französische Polizisten positiv getestet worden. Die UC forderte daraufhin den Hochkommissar der Republik in Neukaledonien, Laurent Prévost, und den regionalen Militärchef zur Ausreise auf. Diese würden duch ihr Verhalten in der Corona-Krise das Nouméa-Abkommen verletzen, das Neukaledonien im Gesundheitsbereich Autonomie garantiere. Die französischen Einheiten würden beim Austausch ihres Personals die neukaledonischen Gesundheitsbehörden umgehen, lautet der Vorwurf. Prévost hielt fest, dass Frankreich das Nouméa-Abkommen respektiere.

Zwist um Tricolore

Gestritten wurde zuletzt auch um die Verwendung der französischen Nationalflagge in der Kampagne der Gegner der Unabhängigkeit. Der FLNKS, der seinerseits die blau-rot-grüne Flagge der kanakischen Unabhängigkeitsbewegung nutzt, hatte gegen den Drapeau Tricolore protestiert. Die französischen Gesetze untersagen die Verwendung der Nationalflagge durch politische Parteien im Wahlkampf, da dies einen Anstrich staatlicher Autorität verleihen würde.

Der FLNKS verwendet im Wahlkampf die blau-rot-grüne Unabhängigkeitsflagge. Den Gegnern der Unabhängigkeit wird nun zugestanden, die französische Tricolore zu verwenden.
Foto: AFP/Rouby

Eine Mehrheit im Kongress stimmte jedoch für eine Zulassung der Tricolore für die Referendumskampagne. Die Regierung in Paris vertrat die Position, dass die Verwendung der Nationalflagge im Rahmen des Referendums für Gleichheit sorge. Seitens des FLNKS steht nun die Drohung im Raum, das Ergebnis des Referendums gegebenenfalls zu beeinspruchen. (Michael Vosatka, 25.6.2020)