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Die große neue ORF-Streamingplattform soll nun bis Jahresende 2020 auch für das Publikum sichtbar werden – etwa mit einem Newschannel, mit Kultur/Wissenschaft und einer neuen TVthek mit Social-Media-Funktionen. Am Donnerstag bestellte der ORF-Stiftungsrat einen Geschäftsführer und Gesamtprojektleiter für das Projekt ORF-Player: Roland Weissmann (52), bisher und weiterhin Chefproducer und oberster Finanzmanager des ORF-Fernsehens mit einem Budget von jährlich mehr als 400 Millionen Euro.

Bürgerlicher Hoffnungsträger

Weissmann ist stellvertretender Finanzdirektor, er vertritt derzeit den erkrankten Andreas Nadler, auch am Donnerstag im Stiftungsrat neben ORF-Chef Alexander Wrabetz. Und er gilt als bürgerlicher Hoffnungsträger für das ORF-Management ab 2022, das der Stiftungsrat voraussichtlich Anfang August 2021 bestellen wird. Die dafür nötige Mehrheit in diesem obersten ORF-Gremium ist seit Frühjahr 2020 türkis – mit, je nach Einschätzung, 18 oder mehr der ÖVP zugerechneten und nahestehenden Stiftungsräten.

Vorerst übernimmt Weissmann zusätzlich zu seinen Schlüsselfunktionen im ORF einen Managementjob für ein zentrales Zukunftsprojekt des ORF, den vom ORF-Strategen Franz Manola in den vergangenen Jahren entwickelten und vorbereiteten ORF-Player, der, so jedenfalls zuletzt der interne Arbeitstitel, ORF On heißen dürfte.

Beinahe Finanzdirektor 2016

Weissmann wurde 2012 Chefproducer des ORF-Fernsehens, als der damalige Finanzdirektor Richard Grasl diesen hunderte Millionen Euro schweren Schlüsselbereich aus der TV- in die Finanzdirektion holte. Der Linzer Weissmann begleitete Grasl lange im ORF – im Landesstudio Niederösterreich (ab 1995) arbeiteten sie zusammen, 1998 wechselte Weissmann als Chef vom Dienst zu Ö3 und 2000 in die zentrale Nachrichtenredaktion des ORF-Radios. 2003 geht er als Wortchef zurück zu Radio Niederösterreich, da ist Grasl dort schon Chefredakteur. 2007 wird Weissmann TV-Chef in St. Pölten, 2010 wechselt er als Büroleiter mit Neo-Direktor Grasl in die Finanzdirektion des ORF.

Als Grasl 2016 an der Ablöse von ORF-Chef Alexander Wrabetz scheitert, wird Weissmann schon als kaufmännischer Direktor im Team von Wrabetz gehandelt. SPÖ und Grüne und andere Wrabetz-Unterstützer im Stiftungsrat legen sich damals quer, Andreas Nadler bekommt schließlich den Job. Weissmann aber, mit guten Kontakten in die ÖVP, wird bald danach Vizedirektor für Finanzen. Für den ORF-Player wird ein dritter Geschäftsführerjob in der ORF-Onlinetochterfirma eingerichtet, die orf.at betreibt.

Facebook des Fernsehens

Einen hochambitionierten Bürgerlichen ins Management des ORF-Players zu setzen kann helfen bei den ORF-Wünschen an den Gesetzgeber: Für den Player soll die Sieben-Tage-Beschränkung für den Abruf von TV-Sendungen fallen und insbesondere auch das Verbot im ORF-Gesetz, Videoinhalte eigens für das Web zu produzieren beziehungsweise sie dort vor der klassischen Fernsehausstrahlung anzubieten. Das sind wesentliche Funktionen in Manolas Player-Konzept – neben Foren zum Fernsehen und Social-Media-Funktionen.

ORF-Novelle in Arbeit: "Hoffentlich bald weißer Rauch"

Nach STANDARD-Infos arbeitet die Regierung an einer ORF-Novelle, die nach Auskunft aus dem Kanzleramt im Herbst vorliegen soll. Sie soll vor allem digitale Erleichterungen für den ORF mit Blick auf den Player bringen. Zugleich könnte damit eine Anmeldepflicht für die Nutzung von orf.at und künftig auch den Player verbunden sein, etwa mit GIS-Teilnehmernummer.

Thomas Zach, Sprecher der bürgerlichen ORF-Stiftungsräte, sagte am Rande der Sitzung am Donnerstag: "Ich hoffe, dass bald weißer Rauch aufsteigt" über dem Kanzleramt zum ORF-Gesetz. Weißer Rauch aus der Sixtinischen Kapelle zeigt eine erfolgreiche Papstwahl im Vatikan an.

Youtube-Agentur für Player

Der ORF-Player ist als große neue Streamingplattform des ORF geplant. Internationale Größen in diesem Gebiet wurden dafür verpflichtet – die von Österreichern gegründete Bitmovin für die Streaming-Infrastruktur (ORF-Chef Wrabetz verwies zuletzt im Publikumsrat auf deren Arbeit für BBC und "New York Times") und für die Nutzeroberfläche Saffron – die Agentur hat bereits die aktuelle Youtube-Oberfläche entwickelt und gestaltet und für Facebook gearbeitet. (fid, 25.6.2020)