Vier Angeklagte, darunter (ehemalige) Spitzenbeamte des Innenressorts, sollen 1,1 Millionen Euro an Spendengeldern illegal verteilt haben.

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Wien – Was Kaiser Franz Joseph I. wollte, ist recht klar dokumentiert. "Se. k. k. apostolische Majestät haben bezüglich der Erweiterung der inneren Stadt Wien nachstehendes Allerhöchstes Handschreiben an den Minister des Inneren zu erlassen geruht", beginnt die amtliche "Wiener Zeitung" am 25. Dezember 1857 ihre Meldung über den kaiserlich-königlichen Wunsch nach einem "Baufonds". Die Stadtbefestigungen und das Vorfeld sollten planiert, Grundstücke verkauft und mit diesem Geld Repräsentationsbauten errichtet werden. Kurz gesagt: Es ging um den Bau der Ringstraße.

Am 13. April 2017 wurde der im Innenministerium ressortierende Fonds offiziell aufgelöst. Des Kaisers Wort hatte auch in der Republik noch Gewicht: Erst im Jahr 2006 wurde eine formelle Satzung beschlossen. Die Ziele des Fonds demnach: "(Bau-)Projekte, welche der Erhaltung und Verschönerung der Inneren Stadt dienen" sowie "eigene Projekte".

1,1 Millionen Euro gespendet

Und diese "eigenen Projekte" sind es, die ÖVP-nahe Spitzenbeamte des Innenministeriums mit einer Untreue-Anklage vor das Schöffengericht unter Vorsitz von Claudia Moravec-Loidolt gebracht haben. Die vier Männer sollen 1,1 Millionen Euro satzungswidrig an verschiedenste Organisationen und Projekte gespendet haben, ist die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft überzeugt. Stimmt nicht, behaupten die Angeklagten und ihre Verteidiger: Alles sei legal gewesen, man habe nur den politischen Willen vollzogen, lautet die Verteidigungsstrategie.

Beim Auftakt des auf sechs Tage anberaumten Verfahrens wird klar, dass der Fonds Merkwürdigkeiten zu bieten hat. Erstangeklagter J. war bis 2013 dessen ehrenamtlicher Geschäftsführer. 2005 habe ihm Innenministerin Liese Prokop (ÖVP) erstmals gesagt, dass der Fonds aufgelöst werden solle. Am 31. Oktober 2006 habe er einen Termin mit ihr gehabt, wo sie noch konkreter wurde: Der Fonds solle innerhalb eines Jahres abgewickelt werden. "Warum gibt es kein ein-zi-ges Schriftstück zu diesem Wunsch der Ministerin?", will Vorsitzende Moravec-Loidolt von J. wissen. "Ich habe nach der Besprechung handschriftliche Notizen gemacht", behaupt der. Auf diese habe er im Jahr 2013, als Ermittlungen in der Causa begannen, in einer Mail an den Zweitangeklagten Bezug genommen. "Und wo sind diese Notizen?" – "Das Original habe ich leider nicht mehr aufgefunden."

"Gutes tun" mit Fondsgeldern

Die am 31. Dezember 2006 verstorbene Prokop sei es auch gewesen, die gefordert habe, mit den Fondsgeldern "Gutes zu tun", beteuert der Erstangeklagte. Was gut ist, entschied das aus den vier Angeklagten bestehende Kuratorium. So habe man für Vollwaisen Begräbniskosten der Eltern übernommen, Familien verunglückter Polizisten unterstützt und einer Ministeriumsmitarbeiterin in Notlage 15.000 Euro geschenkt.

3.000 Euro für Tagung

"In der Satzung von 2006 steht kein Wort von mildtätigen Spenden", hält Moravec-Loidolt ihm vor. "Das war mit 'eigene Projekte' gemeint." Darunter fielen aber auch 3.000 Euro für die Tagung "Zukunftsperspektiven für den öffentlichen Dienst" der "Österreichischen Verwaltungsrechtlichen Gesellschaft". "Ich frage mich, ist das jetzt gemeinnützig oder mildtätig?", kann sich Moravec-Loidolt nicht verkneifen.

"Belohnung" für Ehrenamt

Die Spendenempfänger seien "nach den Kriterien höchster Seriosität ausgewählt worden", versichert der Angeklagte. Beisitzer Thomas Spreitzer interessiert daraufhin: "Und wer hat Sie für Belohnungen vorgeschlagen?" J. hat nämlich mehrere tausend Euro ausbezahlt bekommen. "Das war ein Vorschlag aus dem Kuratorium heraus. Als Anerkennung", beharrt der Erstangeklagte.

Moravec-Loidolt wundert sich auch, dass die Erzdiözese Wien zwar 250.000 Euro für den bisher nicht verwirklichten Bau einer "Stadterweiterungskirche" im stadtfernen Aspern genehmigt bekam, ohne auch nur einen Plan vorzulegen, während Mittel für die Renovierung einer Kapelle in der zentrumsnahen Rossauer Kaserne abgelehnt wurden.

Am Freitag wird fortgesetzt. (Michael Möseneder, 25.6.2020)