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Dies ist ein computergeneriertes, auszugsweises Transkript zu Testzwecken. Derzeit erwägen wir Möglichkeiten, wie und ob wir künftig ausgewählte Podcasts auch in schriftlicher Form anbieten können. Die Aufnahme ins reguläre Angebot hängt unter anderem vom Leserinteresse ab. Feedback zu diesem Angebot nehmen wir gerne im Forum entgegen!

Zsolt Wilhelm [00:00:17] Geht es nach Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, soll das Bundesheer deutlich verkleinert werden. Soweit weit, dass die Landesverteidigung Österreichs damit nicht mehr möglich wäre. Über die Sinnhaftigkeit dieser Reformidee und die massive Kritik daran, berichtet Conrad Seidl vom STANDARD.

Zsolt Wilhelm [00:00:37] Conrad. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner hatte Anfang der Woche ihre Pläne für das Bundesheer vorgestellt. Wie sollte diesen Plänen zufolge Österreichs Militär in Zukunft aussehen?

Conrad Seidl [00:00:48] Es ist tatsächlich so, dass man das als eine Abkehr von der klassischen Landesverteidigung sehen muss, was da jetzt aus dem Ministerbüro gekommen ist. Das sieht vor, dass das Bundesheer reduziert wird auf das, was in den nächsten Jahren am Wahrscheinlichsten ist. Das heißt, sie rechnet nicht damit, dass in den nächsten zwei, drei Jahren ein Angriff auf Österreich stattfindet. Niemand rechnet damit, dass in den nächsten zwei, drei Jahren etwas passiert. Viel wahrscheinlicher wäre in der Zeit zum Beispiel ein Blackout, zum Beispiel, dass noch einmal eine Pandemie ausbricht oder andere Dinge, wo plötzlich die Exekutive überfordert ist und das Bundesheer Assistenz leisten würde. So wie es ja jetzt auch bei der Corona-Krise passiert ist. Dabei wird übersehen, dass natürlich langfristig ganz andere Herausforderungen auf Österreich, auf die Europäische Union und auf die ganze Welt zukommen werden. Das muss nicht der Dritte Weltkrieg sein. Aber es kann natürlich auch weiterhin Dinge geben, die eine robustere militärische Antwort erfordern.

Zsolt Wilhelm [00:01:56] Diese Abkehr von den militärischen Aufgaben, auch der Landesverteidigung Österreichs, würde das bedeuten, dass Österreich komplett wehrlos wäre bei einem Angriff durch ein anderes Land.

Conrad Seidl [00:02:06] Es gibt derzeit keine Planungen, die überhaupt einen Angriff auf Österreich und eine Abwehr eines Angriffs auf Österreich vorsehen. Das war natürlich in der Zeit der Blockkonfrontation auch einfacher. Da hat man gewusst, es könnte eine mögliche Bewegung fremder Truppen durch den Donauraum oder durch den Raum Tirol geben. Und da konnte man sich raumverteidigendend vorbereiten. Derartiges ist nicht abzusehen. Daher muss man sehen, dass Landesverteidigung heute sehr viel flexibler zu sehen ist als damals. Man hat damals feste Anlagen gebaut, die man nicht braucht. Man braucht die Bewegung, man braucht flexibel einsetzbare Truppen für alle möglichen Fälle, die auftreten könnten. Das kann auch ein Bürgerkrieg in einem Nachbarland sein. Ist ja auch relativ plötzlich gekommen im Jahr 1991. Es sind immer wieder Dinge, die man nicht absehen kann und auf die man militärisch zumindest dem Grunde nach vorbereitet sein muss.

Zsolt Wilhelm [00:03:10] Wie hatte Tanner diese Abkehr von der Landesverteidigung begründet?

Conrad Seidl [00:03:13] Naja, das, was der wahre Grund ist und der natürlich auch hinter vorgehaltener Hand gesagt wurde: Bitte, wir haben nicht mehr Geld. Machen wir das, was wir derzeit am ehesten können, richtig und lassen die anderen Sachen weg. Dann stimmt das Budget auch wieder. Das ist natürlich eine sehr kurzfristige Sichtweise, die tatsächlich den Schaden hat, dass man sagt, na wenn ich irgendwas nicht kann, dann erspare ich mir die Mühe, das erreichen zu wollen.

Zsolt Wilhelm [00:03:45] Wie schätzt du das denn ein. Ist denn Ihre Argumentation stichhaltig? Gibt es diese klassischen Bedrohungsszenarien, die du vorher beschrieben hast, heute einfach nicht mehr?

Conrad Seidl [00:03:53] Tatsache ist, dass es sie im Moment nicht gibt. Dazu muss man sagen, beim Militär ist es ja immer so, dass wir für Dinge vorsorgen, von denen wir hoffen, dass sie nie eintreten. Man kann durchaus argumentieren, wenn es jahrzehntelang keinen Krieg gegeben hat, dann ist das ein gutes Zeichen. Da braucht man kein Militär. Andererseits hat es vielleicht keinen Krieg gegeben, weil es zumindest in der Zeit des Kalten Krieges ein Gleichgewicht des Schreckens gegeben hat. Und weil sich die Leute mehr und mehr überlegen, dass, wenn man einen Krieg führt, ist das auch oft zum Nachteil der eigenen Bevölkerung. Dies ist in Europa derzeit Stand der politischen Vorstellungen. Ich glaube nicht, dass derzeit EU-Staaten übereinander herfallen würden. Aber wir sehen in der Ukraine, dass da durchaus auch mit militärischen Mitteln Grenzen verschoben werden. Es ist nicht so, dass Krieg völlig abwesend ist, und es ist nicht so, dass es nicht irgendwelche Hitzköpfe irgendwo gibt, die zunächst vielleicht nur irgendwo am politischen Rand plötzlich an die Macht kommen und dann doch mit militärischen Mitteln zumindest Erpressungsversuche machen. Es ist ja nicht so, dass es unbedingt gleich zu einem schiess Krieg kommt. Aber wie sieht denn das aus, wenn irgendwo ein starker Machthaber dem Nachbarn sagt "Ich hätte gern das und das von dir und im übrigen, ich hab da 200 Panzer an deiner Grenze stehen". So macht es offenbar der russische Präsident derzeit.

Zsolt Wilhelm [00:05:28] Scharfe Kritik an Tanners Plänen gab es dann ausgerechnet von Bundespräsident und dem Oberbefehlshaber Alexander Van der Bellen. Was hat er denn zur Tanners Vorstoß gesagt?

Conrad Seidl [00:05:38] Zunächst einmal ist zu bedenken, der Herr Bundespräsident hat ja im Vorjahr die Schönheit der österreichischen Bundesverfassung gelobt. Diese Schönheit der Verfassung sieht natürlich in den Artikeln 9a und 79 die militärische Landesverteidigung vor. Wenn auch nur der Eindruck entsteht, dass man diesem Verfassungsgebot nicht mehr folgen will, dann muss natürlich der Oberbefehlshaber, der Bundespräsident, hergehen und sagen "Das geht nicht". Und dazu dürfte kommen, dass er, wenn schon nicht inhaltlich überrascht, weil er natürlich auch seine Informationsquellen hat, aber zumindest formal überrascht war davon, wie diese Absichten des Kabinetts Tanner gespielt worden sind. Nämlich, dass man eine Diskussion losgetreten hat, ohne den Oberbefehlshaber, den Herrn Bundespräsidenten, einzubinden.

Zsolt Wilhelm [00:06:35] Das ist durchaus erstaunlich. Was meinen denn der Koalitionspartner, die Grünen, und die Opposition zu Tanners Plänen?

Conrad Seidl [00:06:41] Interessanterweise ist nicht nur die Opposition vor den Kopf gestoßen, sondern auch die Grünen finden das, wie das gemacht wird, nichts so gut, wie man es vielleicht vermuten würde. Die Grünen, die eine große Geschichte als pazifistische Partei haben, die stark für Abrüstung bis hin zur Abschaffung des Bundesheers gewesen sind, haben in den letzten Monaten, ich würde auch sagen in den letzten Jahren, eine viel verantwortungsvollere Haltung zur Republik, zur Sicherheit entwickelt. Nicht erst, seit sie in der Bundesregierung sind, sondern allein dadurch, dass sie in verschiedenen Landesregierungen Regierungserfahrung gesammelt haben, wissen Sie, wie wertvoll Sicherheit ist und dass das Militär in Österreich keineswegs irgendein waffenstarrenden Verein von Rambos ist, sondern eine Organisation, die größte Durchhaltefähigkeit in Krisensituationen hat. Die eine demokratische Basis hat dadurch, dass wir durch die Wehrpflicht ein breites Spektrum aus der Bevölkerung in das Bundesheer hinein bekommen. Und die Grünen sind eine verfassungstreue Partei.

Zsolt Wilhelm [00:07:55] Wenn es so große verfassungsrechtliche Bedenken gibt, wie wahrscheinlich ist es dann, dass eine Abkehr von der Landesverteidigung durchgesetzt wird?

Conrad Seidl [00:08:03] Also eine Abkehr von der Landesverteidigung, so wie sie in der extremen Denke von dem Kabinett einmal angedacht worden ist, wird es nicht geben. Auch hat die Frau Bundesminister in dem Punkt zurückgerudert. Man müsste dazu mit großer Sicherheit die Bundesverfassung ändern. Da müssten wir schauen, welche Parteien sich denn dazu finden würden. Die SPÖ hat da schon abgesagt. Die ÖVP wird mit Grünen und Neos keine Verfassungsmehrheit zustande bringen. Und die Freiheitlichen werden mit Sicherheit eine Abrüstung des Bundesheers nicht verfolgen. Es haben, zur Erinnerung, alle Parteien alle während der Zeit der Übergangsregierung im vorigen Jahr sich zu einem Konsens gefunden, dass in das Bundesheer mehr investiert werden muss. Da sind die Grünen noch nicht dabeigewesen. Die waren zu der Zeit ja nicht im Parlament. Aber da waren die SPÖ dabei, da war die FPÖ dabei. Es ist ja auch in Wirklichkeit in der Bevölkerung Konsens, dass man ein Bundesheer braucht. Es wird nur immer so getan, als ob es das zum Nulltarif gebe. Und das gibt es natürlich nicht.

Zsolt Wilhelm [00:09:13] Denkst du, die aktuelle Corona-Krise könnte dazu beigetragen haben, dass jetzt Tanner mit solchen Sparmaßnahmen vorgeprescht ist?

Conrad Seidl [00:09:20] Sicherlich ist das einer der Gründe, dass die Frau Bundesminister derzeit eine Situation sieht, wo man sagt, es gibt eine gewisse Akzeptanz dafür, dass Milizsoldaten einberufen werden, wenn es kritisch wird. Es gibt natürlich aus Sicht der ÖVP speziell, die ja das Innenministerium auch hat, immer wieder den Wunsch, dass das Bundesheer im Wesentlichen eine Hilfstruppe für die Polizei sein soll. Dies ist aber nicht korrekt. Das Bundesheer hat Landesverteidigung zu machen, und sollte, wenn es Überkapazitäten hat, die gerade bereit stehen, natürlich auch bei der inneren Sicherheit assistieren und agieren. Das Bundesheer soll nicht eigenständig im Inland agieren. Natürlich leitet aus der Sicht des Innenministeriums man ihm ab, "na ja gut, es ist gut, dass wir da eine Hilfstruppe haben", aber dafür ist das Bundesheer eigentlich zu wertvoll. Dafür braucht man jetzt nicht eine militärische Ausbildung.

Zsolt Wilhelm [00:10:20] Es wäre nicht die erste Regierung, die Einsparungen beim Bundesheer machen will. Auch wenn Tanners Pläne nun auf viel Widerstand stoßen, wäre eine grundlegende Reformierung hin zu einem günstigeren und vielleicht effizienteren Bundesheer, das seinen verfassungsrechtlichen Aufgaben nachkommen kann, trotzdem möglich?

Conrad Seidl [00:10:38] Ich bin sicher, dass man eine Reform machen kann. Zu einem effizienteren Bundesheer. Das man meine Reform zu einem billigeren Militär machen kann, halte ich für im Wesentlichen ausgeschlossen. Es wird ja immer wieder argumentiert, ja wenn wir mehr im europäischen Verbund täten, könnte irgendetwas billiger werden. Ja, diese Ressourcen werden bereits weitgehend genutzt. Stichwort Pesco, Stichwort Rüstungskooperation, wo man sagt, man versucht, Systeme zu vereinheitlichen und damit billiger zu machen. Aber dass man sich irgend etwas ersparen kann, das man sagt, ja wenn wir auf Luftraumüberwachung verzichten, wird's billiger, ja, dann werden wir keine eigenen Flugzeuge haben, sondern wir werden im europäischen Verbund irgendjemanden dafür zahlen müssen, dass er für uns den Luftraum überwacht. Und wir haben es diese Woche im STANDARD geschrieben: Eine Stunde im österreichischen Eurofighter kostet 40.000 bis 60.000 Euro, eine Stunde in einem deutschen Eurofighter, wenn man das zu kauft, kostet 100.000 Euro. Das heißt, man erspart sich da gar nichts, wenn man sagt, dafür haben wir keine Eurofighter. Dann hat man keine Eurofighter, aber den Eurofighter zu fliegen oder irgendein Überwachungsflugzeug, das wer anderer für uns fliegt, wird pro Stunde teurer. Da sagt man eigentlich, man hat sich einen Schuss ins Knie gesetzt.

Zsolt Wilhelm [00:12:00] Was denkst du denn, wie es nun weitergehen wird mit den Plänen zum Bundesheer?

Conrad Seidl [00:12:04] Also ich bin überzeugt, dass das nicht das Ende der Fahnenstange ist. Es ist ja jetzt eine Diskussion angestoßen. Es ist wahrscheinlich vernünftig, diese Diskussion weiter zu führen und zu sagen, was priorisieren wir? Es ist ja nicht falsch zu sagen, wir müssen schauen, dass wir Cyberwar beherrschen und versuchen, die IT-Systeme Österreichs, die kritische Infrastruktur Österreichs zu schützen. Weil die noch viel vulnarabler sind als sagen wir mal die Grenzen. Das ist nicht ausgeschlossen, dass solche Dinge passieren, nicht heute, nicht morgen, aber möglicherweise in einer gar nicht so fernen Zukunft.

Zsolt Wilhelm [00:12:41] Ob mit oder ohne großes Militär, ich hoffe mal, dass es nicht dazu kommen wird. Vielen Dank, Conrad Seidl, für diesen Bericht!

Conrad Seidl [00:12:48] Alles Gute.