Die Bedrohungszenarien haben sich geändert, Reformen des Bundesheeres nötig: Auch gegen Cyber-Attacken helfen zivil-militärische Kooperationen besser.

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Der Reformansatz von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner hat unmittelbar nach seiner Vorlage zu vehementen Diskussionen geführt. Seit Jahren bekannte Argumente wurden aufgewärmt, um unterschiedliche Aspekte einer lange bekannten Tatsache zu betonen: Die Bedrohungsszenarien – und damit die Aufgabenstruktur – der Streitkräfte in einem EU-Mitgliedsstaat wie Österreich haben sich fundamental geändert.

Den bereits in der Sicherheitsstrategie 2013 hervorgehobenen Herausforderungen "internationaler Terror, Bedrohung strategischer Infrastruktur, Sicherheit von IT-Systemen, natürliche und von Menschen verursachte Katastrophen … bis hin zu Klimawandel und Pandemien" sollen mit dem ministeriellen Reformplan konkrete Schritte im Rahmen einer Heeresreform folgen.

Zweifelsohne sind Teile des Reformpaketes problematisch, insbesondere die schleichende Normalisierung von Inlandseinsätzen des Bundesheers via Assistenzeinsätze, die demokratiepolitisch bedenklich erscheint.

Die prinzipielle Stoßrichtung der Reform, nach der eine heute angemessene Verteidigungspolitik nichts mehr mit der Verteidigung von Staatsgrenzen zu tun hat, ist richtig und nachvollziehbar. Demgegenüber ist die notwendige internationale Dimension der Reform – in Schlagwörtern wie hybride Bedrohungen und Auslandseinsätze präsent – unterentwickelt. Verbunden damit benötigt das auch den Willen, die Mittel und die Kooperationsbereitschaft für ein professionelles friedenspolitisches Agieren des Heeres im internationalen Umfeld zur Verfügung zu stellen.

Strukturierter Rahmen

Ein solches Agieren verfolgt der im Juni 2010 angestoßene "3C-Prozess" (die drei "C" stehen für Koordination, Kooperation und Komplementarität). Ziel dieses Prozesses ist es, staatliche wie nichtstaatliche Akteure im Bereich internationaler Friedens- und Sicherheitspolitik abzustimmen und dieser Abstimmung einen strukturierten Rahmen zu verleihen. Der gesamtstaatliche, interministerielle Leitfaden für Sicherheit und Entwicklung ist das gültige Rahmendokument dieses Prozesses, wobei dem ASPR die Rolle als zivilgesellschaftlicher Fokuspunkt zukommt.

Eine Reform der österreichischen Verteidigungspolitik ist, gerade angesichts der komplexen Risikolandschaft, gut beraten, sich auf diesen Prozess abzustützen und somit das internationale Engagement auf eine breitere institutionelle Basis zu stellen. Ein gesamtstaatlicher, für öffentliche wie private Akteure zugänglicher "Fonds für umfassende Sicherheits- und Friedenspolitik" wäre dazu ein vielversprechendes Instrument, das sämtliche Arbeitsbereiche dieser zivil-militärischen Kooperation koordinieren und finanzieren könnte.

Zusammen mit der bereits im aktuellen Regierungsprogramm verankerten, zu schaffenden Vermittlungskompetenz im Außenministerium würde ein solcher Fonds die Modalitäten für ein effizientes Agieren in internationalen Krisensituationen nicht nur vereinfachen, sondern in vielen Fällen überhaupt erst schaffen. Die nun vorgebrachten Vorschläge zur Streitkräftereform bieten dafür gute Anknüpfungsmöglichkeiten. Es ist zu wünschen, dass die darin steckenden Möglichkeiten nicht erneut in internen Kompromissfindungen und Finanzierungsunwillen erstickt werden. (Gudrun Kramer, Jan Pospisil , 26.6.2020)