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Nadia Calvino gilt als Favoritin Deutschlands für den Vorsitz der Eurogruppe.

Foto: Reuters / Francois Lenoir

Nach dem Rückzug des portugiesischen Finanzministers Mario Centeno vom Vorsitz der Eurogruppe stehen seit Donnerstag drei mögliche Nachfolger bereit. Der Schritt war nötig geworden, weil Centeno als Finanzminister seines Heimatlandes zurückgetreten war, und damit auch nicht mehr für die Eurogruppe zur Verfügung steht. Am 9. Juli soll über die Nachfolge entschieden werden, dabei sind im komplizierten EU-Machtausgleich zahlreiche Faktoren zu bedenken. Seit Donnerstag stehen aber drei Kandidatinnen und Kandidaten fest.

Spaniens Wirtschaftsministerin und Vize-Regierungschefin Nadia Calvino hat vor ihrem Regierungsamt langjährige Erfahrungen in der EU-Kommission gesammelt. Die studierte Wirtschafts- und Rechtswissenschaftlerin war in Brüssel unter anderem Generaldirektorin für Haushaltsplanung. Als Ministerin profilierte sie sich zuletzt in der Debatte um EU-Milliardenpakete in der Corona-Krise.

Scholz' Favoritin

Die 51-Jährige wäre die erste Frau an der Spitze des einflussreichen Gremiums. Der politisch in der EU besonders gewichtige deutsche Finanzminister Olaf Scholz (SPD) soll große Stücke auf die Spanierin halten. Für Calvino spricht zudem, dass sie wie der scheidende Eurogruppenchef Centeno aus einer sozialdemokratischen Partei und aus einem Land im Süden der EU kommt. Ihre Wahl würde somit das komplizierte Gleichgewicht zwischen Nord und Süd und zwischen den politischen Lagern nicht verändern.

Zudem stünde Paschal Donohoe bereit. Der 45-jährige Politiker der bürgerlichen Partei Fine Gael ist seit Juni 2017 Finanzminister seines Landes und war vorher unter anderem Verkehrs- und Europaminister. Seine Zukunft schien während der langwierigen irischen Regierungsbildung zeitweise unsicher. Erst kürzlich einigten sich seine Fine Gael mit der ebenfalls bürgerlichen Fianna Fail und den Grünen auf einen Koalitionsvertrag. Donohoes Kandidatur für den Vorsitz der Eurogruppe wird als Zeichen gewertet, dass er auch Finanzminister bleibt.

Gesellschaftliche Betrachtungen

Der verheiratete Vater zweier Kinder hat einen Abschluss in Politik und Wirtschaft von der University of Dublin. In seiner Bewerbung vom Donnerstag beschreibt er sich als "starke irische und europäische Stimme im Zentrum der EU Wirtschaftspolitik" und als Brückenbauer. Sein Land war in der Eurokrise zeitweise auf Hilfen der Europartner angewiesen. Durch die EU-Mitgliedschaft hätten sich Wirtschaft und Gesellschaft so stark verändert, dass sie kaum wiederzuerkennen seien, schrieb Donohoe.

Der 62-jährige Liberale Pierre Gramegna bringt hingegen von den drei Bewerbern die meiste Regierungserfahrung im Bereich der Finanz mit: Seit Dezember 2013 ist er Finanzminister von Luxemburg, das mit einer jahrzehntelang sehr liberalen und umstrittenen Steuerpolitik Investoren aus aller Welt anzog. Der verheiratete Vater zweier Kinder hat unter anderem in Paris Wirtschaft und Recht studiert und war zeitweise Diplomat für sein Land. Er wirbt für sich als Reformpolitiker: Er habe auf einen ausgeglichenen Haushalt hingearbeitet und das luxemburgische Steuerrecht mit internationalen Transparenzregeln in Einklang gebracht.

In seinem Bewerbungsschreiben heißt es auch, in der beispiellosen Corona-Krise sei mehr Solidarität gefordert, um eine gleichmäßige wirtschaftliche Erholung in Europa zuwege zu bringen. Auch Gramegna spricht vom Brückenbauen: "Als Präsident der Eurogruppe würde ich den Konsens suchen und darauf abzielen, Brücken zwischen Norden und Süden, Osten und Westen zu bauen und dabei kleine und große Mitgliedsstaaten gleichermaßen fair zu behandeln." (red, APA, 25.6.2020)