Ministerin Klaudia Tanner steht, das betonte sie in der ZIB2 ausführlich, zur militärischen Landesverteidigung.

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Wien – Die Pläne von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) zum Umbau des Bundesheers haben am Freitag die Wehrsprecher von SPÖ, FPÖ und Neos auf den Plan gerufen. Sie fordern, auch in Reaktion auf ein wenig aussagekräftiges Interview der Ressortchefin in der "ZiB 2" von Donnerstagabend (siehe unten), dass Tanner so schnell wie möglich dem Parlament Rede und Antwort stehen soll – und zwar bereits in der Nationalratssitzung am kommenden Dienstag.

Die Einberufung des Nationalen Sicherheitsrats, um die Tanner Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gebeten hat, könne sie sich "sparen" – die Oppositionsparteien wollen selbst mit einem gemeinsamen Antrag eine ehestmögliche Sitzung des Beratungsgremiums erwirken.

"Untragbar"

In ähnlichem Tonfall ging es bei der gemeinsamen Pressekonferenz der Wehrsprecher weiter. Neos-Mandatar Douglas Hoyos erklärte dabei, "das Vorgehen der Ministerin und ihres Kabinetts ist für uns untragbar". Insbesondere stößt man sich daran, dass so weitreichende Pläne wie das Infragestellen der militärischen Landesverteidigung "ohne Rücksprache" mit dem Parlament, dem Generalstab und dem Bundespräsidenten als Oberbefehlshaber des Heeres geschmiedet werden. Die Neos erklären sich die Vorgangsweise damit, dass die Umbaupläne eine Art "Nebelgranate" gewesen seien – sind sie doch zeitgleich mit dem Auftritt von Kurz im Ibiza-Untersuchungsausschuss öffentlich geworden.

Für die Opposition steht nach der Vorgehensweise Tanners jedenfalls fest: "Eine solche Ministerin sollte sich überlegen, ob sie am richtigen Sessel sitzt und wie sie ihre Zukunft gestaltet", wie Hoyos recht unverblümt die gemeinsame Rücktrittsaufforderung formulierte.

Die Pressekonferenz der Wehrsprecher der Opposition zum Nachschauen.

Betonung auf "Wichtigkeit der militärischen Landesverteidigung"

Tanner hatte sich am Donnerstagabend bei einem Auftritt in der "ZiB 2" Fragen zu der von ihr geplanten Heeresreform gestellt, war dabei aber viele Antworten schuldig geblieben. Sie wiederholte mehrfach die "Wichtigkeit der militärischen Landesverteidigung", betonte aber auch, dass sie – im Einklang mit dem Regierungsprogramm – Reformen im Bundesheer umzusetzen habe. Pläne für die Auflösung von Garnisonen dementierte sie. Auf die Frage, ob sie Kasernen schließen wolle, sagte sie: "Na, selbstverständlich nicht!"

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Wie genau ein Hintergrundtermin für mehrere Medien am Montag, der für massiven Gesprächsstoff sorgt, zustande gekommen sei, wollte sie nicht sagen. Das Gespräch, an dem Tanner selbst nicht teilgenommen hatte, sorgte für Aufregung, weil dort die militärische Landesverteidigung als Kernpunkt der Bundesheer-Arbeit infrage gestellt worden war. Auch Kasernenschließungen waren dort nicht ausgeschlossen worden.

"Fahren wir zum Präsidenten!"

Zudem war Bundespräsident Alexander Van der Bellen nicht im Voraus über die Pläne informiert worden, weshalb dieser die Ministerin am Mittwoch zu sich zitierte. Van der Bellen soll über den fehlenden Informationsfluss massiv verärgert gewesen sein.

Ob sie sich dafür bei Van der Bellen entschuldigt habe, verriet Tanner in der "ZiB 2" nicht. Sie sei froh, dass über das Bundesheer nun "so viel wie noch nie diskutiert wird", sagte sie als Antwort auf die Frage nach dem Termin. Sie führe dies auf die Leistung der Soldatinnen und Soldaten zurück. Zudem sei "schön zu sehen" gewesen, dass "der Herr Bundespräsident als Oberbefehlshaber auch einer der größten Kämpfer für das Bundesheer ist". Dass sie zu Van der Bellen zitiert worden sei, wollte sie nicht sagen. Sie hielt dem eine andere Version des Geschehens entgegen: "Wir haben gesagt, fahren wir direkt dorthin, sprechen wir mit dem Bundespräsidenten."

Aussprache mit grünem Koalitionspartner

Am Freitag um 13 Uhr steht für Tanner ein Gespräch mit Grün an. Der grüne Wehrsprecher David Stögmüller sagt angesichts der Aufregung über Tanners anvisierten Umbau beim Bundesheer, der bis vor kurzem auch eine Abkehr von der verfassungsrechtlich verankerten Landesverteidigung vorsah, zum STANDARD: "Ich will dringend eine Aussprache über die Pläne, die uns völlig unbekannt waren." Eindringlicher Nachsatz: "Wir müssen darüber reden, welche Einzelheiten umgesetzt werden können – vorrangig ist dabei stets, dass Reformen des Bundesheers der Verfassung entsprechen und auch seinem Auftrag zur Wahrung der Neutralität."

Vages Programm

Nicht zu erfahren war von Tanner in der "ZiB 2", welche Reformschritte nun tatsächlich geplant sind. Auch hier gelte die "militärische Landesverteidigung" als Maßstab, sagte die Ministerin, die sich dabei ein ums andere Mal auf das Regierungsprogramm berief. Dieses ist allerdings auch in wichtigen Punkte eher vage gehalten. Man müsse sich "Schritt für Schritt" auf neue Bedrohungsbilder einstellen. Welche das sein könnten, habe man nun etwa beim Einsatz des Heeres gegen die Corona-Pandemie gesehen. Auch im Bereich der Migration seien Soldatinnen und Soldaten tätig.

Tanner machte für den aktuellen Zustand des Bundesheers auch "den Reformstau unter meinen zahlreichen Vorgängern" verantwortlich. Nun aber habe man das höchste Budget beschlossen, das es für ihr Ressort je gegeben habe. An eine weitere Anhebung glaube sie nun nicht mehr, "die Budgetverhandlungen sind abgeschlossen" – aber mit dem, was man erreicht habe, müsse man nun "richtig investieren". In diesem Zusammenhang nannte Tanner auch die Anschaffung von 30 gepanzerten Fahrzeugen, die bereits beschlossen sei. Wie der Ersatz für jene 50 Jahre alten Saab gestaltet wird, die ab 1. Jänner nicht mehr fliegen dürfen, wollte sie nicht sagen. Das werde erst Anfang Juli feststehen, dann werde sie "sehr gerne wieder" die "ZiB 2" besuchen.

Nationaler Sicherheitsrat wird einberufen

Donnerstagabend kündigte Tanner an, in Abstimmung mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) den Nationalen Sicherheitsrat einzuberufen. Damit soll auch auf politischer Ebene ein Diskussionsprozess über die Zukunft des Bundesheers beginnen. Tanner betonte in einer Aussendung, dass die militärische Landesverteidigung zwar Kernaufgabe des Heeres bleibe, aber auch eine Vorbereitung auf neue Bedrohungen wie Pandemien, Cyberattacken, Migrationsdruck, Blackouts oder Terrorangriffe nötig sei.

Tanner: "Ich wurde nicht Ministerin, damit alles so bleibt, wie es ist. Klar ist, dass wir die Strukturen an die Anforderungen anpassen müssen und die Führung schneller, agiler und flexibler werden muss." (mesc, nw, riss, red, 26.6.2020)