Mittagspause in Tromsø, Norwegen: Patrick Oberbichler hat die wenigen Sonnenstunden mit seinen Hunden bei einer Wanderung genossen.

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"Freiheit ist definitiv ein großer Vorteil, den man als Softwareentwickler genießt. Ich glaube nicht, dass es so viele Jobs gibt, in denen man so flexibel ist. Alles, was ein Entwickler für seine Arbeit braucht, ist ein Laptop und eine gute Internetverbindung. Deshalb konnte ich auch fast ein Jahr von Norwegen aus für meine Firma arbeiten.

Ich habe Angewandte Informatik in Salzburg studiert. Die Software-Engineering-Fächer haben mir schon im Studium den meisten Spaß gemacht. Mein Pflichtpraktikum habe ich bei Porsche Informatik gemacht, ab da war endgültig klar, dass ich Softwareentwickler werden möchte. Ich habe dann dort nebenbei zwanzig Stunden weitergearbeitet. Nach dem Studium bin ich nach Wien gegangen und war als Programmierer beim Bundesrechenzentrum tätig. Seit zweieinhalb Jahren bin ich bei Jumio, einem Software-Unternehmen, das sein Headquarter im Silicon Valley hat, jedoch die Softwareentwicklung in Wien oder in Linz passiert. Wir bieten Firmen ein Identitätsverifizierung-Service von Ausweisen und Kreditkarten an. Dies nutzen zum Beispiel Internetwettanbieter, die sicherstellen wollen, dass die Person, die wetten möchte, auch alt genug dafür ist und der Ausweis nicht gefälscht ist. Dafür hält die Person ihren Ausweis und ihr Gesicht in die Webcam und die Software überprüft dann, ob das Foto mit der Person übereinstimmt.

Wir haben eine flache Hierarchie und arbeiten in Cross-Functional-Teams. Das hat den Vorteil, dass alles innerhalb eines Teams gelöst werden kann. In jedem Team sitzen Softwaretester, Programmierer und ein Produktmanager. Mir ist es wichtig, in einer Firma zu arbeiten, in der man selbst technische Entscheidungen treffen kann. Ich arbeite als Backend-Entwickler. Das Pendant dazu wäre der Frontend-Entwickler, der sich um die grafischen Oberflächen kümmert. Die eigentliche Logik dieser Systeme findet im Hintergrund, im Backend statt, wenn Eingaben zum Beispiel zur Weiterverarbeitung an Schnittstellen geschickt werden müssen oder in einer Datenbank gesammelt werden sollen.

Mein Chef hat gleich positiv reagiert, als ich ihm von meinem Plan erzählt habe, ein Jahr von Norwegen aus zu arbeiten. Wir haben es dann so gelöst, dass ich mich über eine sogenannte Umbrella Company anstellen ließ, die meine Arbeitszeit weiterverrechnet hat.

Es war schon ein Kulturschock, als wir von Wien aufs Land nach Tromsø gezogen sind. Wir haben in einer WG gelebt, in einem Haus in der Nähe einer Huskyfarm, auf der meine Freundin mitgearbeitet hat. Meinen Arbeitstag habe ich anders gestaltet als in Wien, da es im Winter auch nur wenige Stunden Dämmerung oder Sonnenlicht gab. Ich habe deshalb schon um halb sieben zum Arbeiten begonnen und die Mittagspause für eine Skitour genützt oder um mit den Hunden spazieren zu gehen. Am Nachmittag habe ich mich dann wieder vor den Laptop gesetzt. Die Zusammenarbeit mit den Kollegen hat gut geklappt. Wenn man aber als Einziger im Team remote arbeitet, und der Rest im Büro ist, ist es schon schwierig. Du kannst nicht einfach in einem Meeting etwas auf das Whiteboard schreiben oder eine gemeinsame Kaffeepause machen. Das Zwischenmenschliche hat mir schon gefehlt.

Ich wollte bis Sommer in Norwegen bleiben, aber Corona hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wir sind Anfang April zurückgekommen, aber nicht nur mit unserem Hund, sondern auch mit dem pensionierten Schlittenhund Tomas. Ob ich schon wieder Fernweh habe? Ja! Ich würde das gern wiederholen, aber dann möchte ich das Snowboard gegen das Surfboard tauschen und die Sonne genießen." (Protokoll: Stefanie Leschnik 29. 6. 2020)