Nach der Pleite von Wirecard gerät der langjährige Abschlussprüfer des Konzerns, EY, immer stärker ins Visier.

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Frankfurt/Aschheim – Nach der Pleite von Wirecard gerät der langjährige Abschlussprüfer des Konzerns immer stärker ins Visier. Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) stellte wegen der Vorgänge rund um Wirecard Strafanzeige gegen zwei amtierende und einen ehemaligen Abschlussprüfer der Ernst & Young GmbH (EY), wie die Aktionärsvereinigung am Freitag mitteilte.

Ferner habe die SdK große Zweifel, dass EY als Abschlussprüfer geeignet sei. Die Aktionärsvereinigung werde daher zunächst für die von der SdK vertretenen Investoren auf zukünftigen Hauptversammlungen gegen eine Bestellung von EY zum Abschlussprüfer und/oder Konzernabschlussprüfer stimmen. EY war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen.

Bilanzirrtum

EY hatte mehr als ein Jahrzehnt lang die Zahlen von Wirecard geprüft und die Bilanzen testiert. Erst bei der Prüfung der 2019er-Bilanz bemerkten die Prüfer, dass Bankbestätigungen zu Treuhandkonten auf den Philippinen gefälscht waren. Auf den Konten sollten 1,9 Milliarden Euro liegen – ein Viertel der Bilanzsumme. Am Donnerstag musste Wirecard dann Insolvenz anmelden. Die Wirtschaftsprüfer von EY sprachen von einem ausgeklügelten, weltumspannenden Betrugssystem, mit dem sie und Anleger hinters Licht geführt worden seien.

Prominente Kunden

Auch in Österreich sorgte der Wirecard-Skandal für Aufregung. Der Ex-Vorstandsvorsitzende Markus Braun sowie der jüngst entlassene Vorstand Jan Marsalek sind gebürtige Österreicher. Zudem hat das Unternehmen auch in Österreich namhafte Kunden. Unter diesen sind laut früheren Angaben von Wirecard sowie laut Zeitungsberichten die ÖBB, XXX Lutz, A1, Post, Win2day, Energie Steiermark, Wien Energie, Billa und Lidl sowie diverse Veranstalter und Kreditkartenunternehmen.

Laut einem Bericht des "Spiegel" will auch der japanische Technologiekonzern Softbank die Wirecard-Prüfer klagen.

Deutsche Finanzaufsicht im Fokus

Auch den Aufsichtsbehörden geht es nach dem Zusammenbruch des Zahlungsanbieters an den Kragen. Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde Esma soll nach dem Willen der EU-Kommission klären, ob die deutsche Finanzaufsicht Bafin bei der Kontrolle versagt hat, kündigte Kommissionsvize Valdis Dombrovskis am Freitag an.

"Wir müssen klären, was schiefgelaufen ist", sagte Dombrovskis der "Financial Times". "Wir werden die Esma bitten zu prüfen, ob es aufsichtsrechtliche Versäumnisse gegeben hat, und, wenn ja, eine mögliche Vorgehensweise festlegen."

Der deutsche Finanzminister Olaf Scholz kündigte an, die Strukturen bei der Finanzaufsicht zu durchleuchten, um mögliche Fehler zu finden. Die aktuelle Arbeitsweise müsse überdacht werden. "Die Bafin muss künftig in der Lage sein, Sonderprüfungen möglichst kurzfristig, schnell und effizient durchführen zu können", sagte der SPD-Politiker am Donnerstagabend. Zu eigenen Fehlern äußerte er sich nicht.

Merkel: Besorgniserregend

Bundeskanzlerin Angela Merkel wertet den Bilanzskandal als besorgniserregenden Fall. Ziel müsse es jetzt sein, Schaden vom Finanzplatz abzuwenden und Schwächen zu beheben, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. Die Staatsanwaltschaft München müsse offene Fragen ermitteln. Die zuständigen Ministerien für Finanzen, Wirtschaft und Justiz sollten regulatorische Fragen überprüfen.

Aktienkurs im Sturzflug

An der Börse wollten Anleger nur noch raus aus den Wirecard-Aktien – sie rauschten um weitere 34 Prozent in die Tiefe. Weil die Titel noch immer im Leitindex Dax gelistet sind, können unter anderem einige Anbieter von Indexfonds (ETFs) nicht aussteigen.

Inzwischen hat die britische Finanzaufsicht FCA der Wirecard-Tochter Wirecard Card Solutions de facto den Geschäftsbetrieb untersagt. Die Firma dürfe wegen der Insolvenz des Mutterkonzerns keine regulierten Aktivitäten ausüben und müsse ihre Kunden darüber informieren, teilte die FCA am Freitag mit. Zudem dürften keine Gelder abfließen. Die Wirecard-Tochter erbringt in Großbritannien unter anderem Zahlungsdienstleistungen. (APA, Reuters, 26.6.2020)