Anwälte und Angeklagte vor Prozessbeginn in der Causa Stadterweiterungsfonds im Straflandesgericht Wien.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Wien – Auch am zweiten Tag des Verfahrens um den Wiener Stadterweiterungsfonds sind die angeklagten Spitzenbeamten des Innenministeriums bei ihrer Verteidigungslinie geblieben. Alle Vergaben seien nur im Sinne der verstorbenen Innenministerin Liese Prokop (ÖVP) gewesen. Schriftlichen Beleg dafür gibt es freilich weiter nicht. Entsprechende Weisungen zu verschriftlichen sei auch nicht üblich.

Diese Position vertrat der noch aktive Sektionschef V., der als einziger der vier Beschuldigten nicht nur wegen Untreue sondern auch noch wegen Amtsmissbrauchs angeklagt ist und dessen Befragung im Mittelpunkt des zweiten Verhandlungstags am Wiener Straflandesgericht stand. Gröbere Verfehlungen kann er bei sich und seinen Mitangeklagten nicht erkennen: "Wir haben immer nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt."

In dem Verfahren geht es darum, dass vier Beamte Mittel aus dem üppig gefüllten Stadterweiterungsfonds unter anderem an ihnen nahe stehende Organisationen verteilt haben sollen, was nicht dem Zweck des Fonds entsprochen habe, wie die Staatsanwaltschaft meint. Bei V. sind beispielsweise mehrere Institutionen bedacht worden, in denen er selbst Funktionen innehatte, etwa der Juristentag oder der Lions Club. Der Sektionschef empfand alles als rechts- und satzungsgemäß.

Umstrittene Satzungsänderungen

Aus heutiger Sicht hätte der Sektionschef am liebsten gar nie Teil des Kuratoriums des Fonds geworden. "Hätte ich geahnt, was auf uns zukommt, hätte ich gesagt, Finger weg." Thema war am zweiten Prozesstag unter anderem auch eine neue Satzung die 2006 aufgesetzt wurde. Dort wurden nun auch "eigene Projekte" neben dem eigentlichen Zweck der Innenstadtverschönerung als förderwürdig angeführt. Dass V. das quasi als Synonym für mildtätige und gemeinnützige Anliegen schilderte, schien Richterin Claudia Moravec-Loidolt nicht unbedingt zu überzeugen. Immerhin gab der Sektionschef zu, dass die Formulierung "nicht gut gelungen" sei.

Interesse hatte der Schöffensenat auch, warum man nicht die Nachfolger Prokops gefragt habe, ob auch diese mit den Mitteln des Fonds nur "Gutes" tun wollten. V. dazu: Für ihn gelte der Wunsch einer Ministerin so lange, als nicht ein anderer Akt erfolge. Er sei auch sicher, dass jedes Projekt die Zustimmung der Ressortchefin gefunden hätte.

Auch eine neuerliche Satzungsändrung im Jahr 2009 war wieder Thema. Die war aus Sicht der Angeklagten nötig, als die damalige Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) beschlossen habe, das Grundstück für das letztlich nie realisierte Asyl-Erstaufnahmezentrum in Eberau aus Mitteln des Fonds zu erwerben. Einer der Beamte habe sich damals zwar über die Pläne echauffiert, letztlich sei aber bechlossen worden, die Satzung nochmals zu ändern, da dem Wunsch der Ministerin zu entsprechen gewesen sei, erklärte V. Wie Fekter auf die Idee kam, gerade den Fonds für die Finanzierung heranzuziehen, wisse er nicht.

"Keine Kutur im Innenministerium Dinge zu verschriftlichen"

Für Richterin Claudia Moravec-Loidolt blieb letztlich die Frage bestehen, wieso denn Liese Prokop ihren angeblichen Willen nirgendwo schriftlich hinterlassen habe: "Keiner findet es der Mühe wert das aufzuschreiben, ich verstehe das nicht." Sektionschef H. meinte dazu: "Es gibt keine Kultur im Innenministerium Dinge zu verschriftlichen." Im Gegenteil: Minister würden davor bewahrt, Dinge zu unterfertigen, die sie nicht müssten.

Schlechtes Gewissen bezüglich der Vergabe der Mittel hatte der Sektionschef keine. Schließlich seien die Projekte, auch wenn ein persönlicher Nahebezug da war, im Kuratorium offen gelegt worden, ist H. der Überzeugung, dass rechtsstaatlich alles ok war, was die Richterin zur Bemerkung "Dann ist die Moral egal" veranlasste. Überhaupt zeigte sie sich von der "gegenseitigen Weißwaschung" im Kuratorium wenig beeindruckt. (APA, 26.6.2020)