Der Torpedo, den Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) Freitagfrüh nach tagelanger Aufregung um ihre Bundesheerpläne in Richtung geeinter Opposition abgesetzt hatte, ging vorerst ins Leere. Denn die Wehrsprecher von SPÖ, FPÖ und Neos fuhren bei einem Auftritt am Vormittag mit noch schwererem Geschütz auf als angenommen. Doch dazu später.

"Ich wurde nicht Ministerin, damit alles so bleibt, wie es ist": Klaudia Tanner (ÖVP) Freitagfrüh um 6:00 Uhr – nach ihrem Grenzbesuch im steirischen Spielfeld am Vortag.
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Weil Rot, Blau und Pink wegen Tanners anvisierter und dann doch wieder abgesagter Abkehr von der verfassungsrechtlich verankerten Landesverteidigung den Nationalen Sicherheitsrat zusammentrommeln wollen, versuchte die Ministerin diesem Manöver schon gegen 6:00 Uhr morgens zuvorzukommen. Via Aussendung verkündete sie, auf ihr Betreiben hin solle dieses vertrauliche Beratungsgremium der Regierung in Angelegenheiten der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik einberufen werden. Deshalb werde sie jetzt Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) genau darum ersuchen.

Dazu prophezeite die Ministerin: Am Ende des von ihr angestoßenen Diskussionsprozesses zu den Reformen beim Militär "werden wir unser Bundesheer ins 21. Jahrhundert geführt haben". Nachsatz: Sie sei nicht Ministerin geworden, "damit alles so bleibt, wie es ist".

Genug ist genug!

Dass sie weder den Bundespräsidenten als Oberbefehlshaber noch den Generalstab noch den grünen Koalitionspartner noch das Parlament über ihre tiefgreifenden Umbau- und Sparpläne informiert und damit Empörung auf allen Seiten ausgelöst hat, ficht Tanner nicht an. Auch die Unteroffiziersgesellschaft deponierte bei ihr am Ende der turbulenten Woche harsche Kritik – in Anlehnung an Kanzler Kurz erklärte man dort: "Genug ist genug!"

Die Opposition, die die Verteidigungsministerin mittlerweile für "untragbar" hält, will Tanner ab sofort gleich mit mehreren politischen Instrumentarien von weiteren Alleingängen abhalten. Für die Einberufung des Nationalen Sicherheitsrats brauche es die Ministerin nicht, erklärten die Wehrsprecher Robert Laimer (SPÖ), Reinhard Bösch (FPÖ) und Douglas Hoyos (Neos), denn ein entsprechendes Begehren habe man bereits aufgesetzt – binnen 14 Tagen muss das Gremium also zusammentreten.

Dazu fordert das Trio von Tanner eine Erklärung im Plenum des Nationalrats – und zwar schon am Dienstag, dem 30. Juni. Sollte sich die Ministerin weigern, werde man weitere Schritte setzen. Hintergrund: Ginge es nach Tanners Ressortführung, sollte das Bundesheer auf Assistenzeinsätze, Katastrophenschutz, Cyber-Defence und ABC-Abwehr reduziert werden; in Ernstfällen sollte die Miliz mobilisiert werden. Dazu steht die Auflösung der vier Brigaden im Raum.

Neutralität statt Nato-Schutz

Neben ihren Rücktrittsempfehlungen will die Opposition Tanner auch mit einer Online-Petition für den Erhalt des Bundesheers und der Neutralität unter Druck setzen, an der sich besorgte Bürger beteiligen können.

Die Ministerin zerreiße mit dem Bundesheer die Sicherheitspolizzen Österreichs, sagte SPÖ-Abgeordneter Laimer. Hoyos von den Neos erklärte: Tanner gehe es nicht um die Sicherheit des Landes, sondern allein um die Sicherheit von Kurz – eine Anspielung darauf, dass sie just ihren Reformprozess starten wollte, während der Kanzler dem U-Ausschuss zu Ibiza-Affäre und Casinos-Gate Rede und Antwort stehen sollte. Und der Freiheitliche Bösch hielt fest: Den nunmehrigen Beschwichtigungsversuchen der Ministerin – zuletzt hatte Tanner Kasernenschließungen in der "ZiB 2" ausgeschlossen – schenke man keinen Glauben mehr.

Grüne Forderungen im Gepäck

Um 13 Uhr stand nach dem Rapport bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen für Tanner die vom grünen Koalitionspartner verlangte Aussprache an. Wehrsprecher David Stögmüller nach der Unterredung zum STANDARD: Man habe sich auf "eine Intensivierung der Zusammenarbeit" verständigt. Anhand des Regierungsprogramms wolle man das Bundesheer angesichts aktueller Gefährdungslagen in Bereichen wie etwa Cyber-Defence oder Drohnenabwehr besser rüsten und modernisieren.

Zwei dringende Anliegen an Tanner brachte der Grüne dennoch mit: Sie möge im Nationalrat die geforderte Erklärung abgeben – und auch im Unterausschuss zur Landesverteidigung ausführlich Stellung nehmen. (Nina Weißensteiner, 26.6.2020)