Duda bei einer Wahlkampfveranstaltung in Radom.

Foto: Jacek Dominski/REPORTER

Hoch über Washington kreist eine Drohne und sendet Bilder vom Weißen Haus in Miniaturgröße in die polnischen Wohnzimmer. Endlich kommen die beiden Politiker ins Bild, auf die alle gewartet haben: Andrzej Duda, der Präsident Polens, und sein US-Amtskollege Donald Trump. Die Chemie stimmt. Im Rosengarten nicken die beiden Politiker einander immer wieder anerkennend zu.

Im Warschauer Fernsehstudio, das in einer Sondersendung das Treffen live ausstrahlt, jubelt der Soziologe Tomasz Zukowski: "Wir dürfen stolz darauf sein, Polen zu sein. Unsere beiden Präsidenten geben die Karten in der Weltpolitik aus." In Washington sagt Andrej Duda: "Ich vertrete hier die Interessen Polens und paradiere nicht in Moskau!" Der aus dem Homeoffice zugeschaltete Chefredakteur eines regierungsnahen Magazins kann seine Begeisterung über Polens Präsidenten kaum zügeln: "Wir haben es bei Duda mit einem erfahrenen Politiker zu tun, einem Staatsmann. Unseren Aufstieg in die oberste Liga der Weltpolitik verdanken wir ihm."

Kaczyńskis Kugelschreiber

Das Datum für all das ist nicht dem Zufall geschuldet. Am Sonntag findet in Polen die Präsidentschaftswahl statt. Duda bewirbt sich um eine zweite Amtszeit. Seine Blitzvisite in den USA verdankt er einer Einladung Trumps, der damit einem guten Rüstungskunden Wahlkampfhilfe leistet.

In Warschau hingegen richten sich die Kameras auf ein vierstöckiges Gebäude in der Nowogrodzka-Straße 84. Der Betonklotz mit dunkler Holzverkleidung ist Polens Machtzentrale. Hier holen sich Premier Mateusz Morawiecki und die Minister, so sieht es die Opposition, ihre Instruktionen ab.

Sie kommen von Jarosław Kaczyński, dem Chef der nationalpopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Seit nunmehr fünf Jahren betreibt der 71-Jährige energisch den Rückbau der polnischen Demokratie. Einer seiner Mitstreiter ist Andrzej Duda. Er verdankt seinen Aufstieg vom EU-Parlamentarier zum Staatsoberhaupt allein dem PiS-Parteichef. Kaczyń ski tut alles, um dem 48-Jährigen eine weitere Amtszeit zu sichern. Denn der "Kugelschreiber", wie Gegner Polens Präsident gern verspotten, da dieser fast alle Gesetze unterschreibt, sichert auch Kaczyńskis Macht.

Dass Dudas Umfragewerte in den letzten beiden Monaten sanken und sein sicher geglaubter Sieg laut neuesten Umfragen zu wanken beginnt, hat mit der Covid-19-Pandemie zu tun. Anfang des Jahres sah die Situation für ihn noch hervorragend aus, Duda besuchte als treusorgender Landesvater Fabriken und Bergwerke, hörte sich die Sorgen der Bauern und Landfrauen an. Dann aber kam die Pandemie, die eigentlich für den 19. Mai geplante Wahl fand – unter Ausnutzung eines juristischen Tricks – nicht statt.

Nicht alle sind euphorisch

Beim Neustart der Kampagne für die Wahlen am 28. Juni stellte die Opposition dann einen neuen Kandidaten auf: den beliebten Oberbürgermeister Warschaus, Rafał Trzaskowski. Die Anti-Corona-Maßnahmen wurden zurückgefahren, normale Wahlkampfauftritte wurden auch für die Opposition möglich, und Trzaskowski musste nur zusehen, die verlorene Zeit aufzuholen. Glaubt man Umfragen, nicht ohne Erfolg.

Im Flieger zurück nach Warschau wird Präsident Duda schon die Kommentare in polnischen Zeitungen gelesen haben. Sie sind weniger euphorisch als jene im TVP-Studio. Die meisten kritisieren die vagen Aussagen Trumps. Eigentlich wisse man nun nicht mehr als vor dem Treffen. Wie viele US-Soldaten von Deutschland nach Polen verlegt würden und wann, bleibe offen. Noch gibt es keine neuen Umfragen, aber es sieht so aus, als habe der US-Besuch Dudas seine Chancen nicht deutlich erhöht. Es bleibt beim Kopf-an-Kopf-Rennen. Der erste Durchgang am Sonntag sollte an Duda gehen, er liegt bei 43 Prozent. In zwei Wochen bei der Stichwahl ist aber alles möglich. (Gabriele Lesser aus Warschau, 27.6.2020)