Nina Horowitz (43) präsentiert ab 6. Juli die "Liebesg’schichten und Heiratssachen".

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Die Liebesg’schichten und Heiratssachen kehren ab 6. Juli, Montag, wöchentlich um 20.15 Uhr in ORF 2 in zehn Folgen zurück – der STANDARD berichtete bereits über die Neuerungen. Neue Präsentatorin des ORF-Kult- und Erfolgsformats ist Nina Horowitz. Die langjährige Am Schauplatz-Redakteurin ersetzte die im März 2019 verstorbene Elizabeth T. Spira. Horowitz spricht über über große Fußstapfen, Liebe in Corona-Zeiten und Glücksgefühle.

STANDARD: Was wollten Sie unbedingt bewahren und was nicht?

Horowitz: Wir haben am Anfang natürlich im Team darüber geredet, was wir daraus machen und ob wir die Sendung sehr verändern sollen, sind dann aber sehr schnell zu dem Entschluss gekommen, dass das Konzept ja sehr gut war. Zum Beispiel nicht mehr in die Wohnungen zu gehen, um die Menschen dort zu porträtieren, hätte ich für einen Fehler gehalten. Oder der Musik so eine Fläche zu geben, das liebe ich besonders, für die Kandidatinnen und die Kandidaten diese Musikstücke auszuwählen. Das zu verändern, wäre auch schlecht gewesen.

Grundsätzlich ist ein neues Team am Werk, bis auf die Sendungsverantwortliche Sharon Nuni und eine Redakteurin, und natürlich ist es dann anders, wenn das neue Kameramänner machen, und ich bin eine andere Person als Toni Spira, das bringt schon eine Veränderung. Wir haben auch die Grafik verändert, genauso wie das Anfangs- und Schlusslied. Das ist jetzt der Roy Black. Das Schöne ist, dass die erste Protagonistin mit ihm ein Pantscherl hatte. Es waren schon einige Veränderungen, aber zu viele hätten dem Produkt geschadet, weil diese Sendung so viele Leute lieben und kennen.

STANDARD: Also, Veränderungen gab es nur in Nuancen. Wo findet sich Ihre Handschrift wieder?

Horowitz: Wenn man Interviews macht, dann denkt man nicht an andere Personen, sondern: Welche Frage poppt mir jetzt auf. Wir haben versucht, es hie und da ein bisschen flotter zu machen. Zum Beispiel im Schnitt und bei der Kamera, aber im Grunde wird es niemand aufdrehen und nicht nach drei Minuten wissen, ob er bei den Liebesg’schichten oder bei Eco ist. Ich würde von bewusst kleinen Veränderungen reden, denn zu viel wäre mir unangenehm gewesen. Das haben alle ähnlich gesehen.

STANDARD: Wie lange kreiste der Nimbus von Spira über der Sendung, bevor Eigendynamik kam?

Horowitz: Ich denke schon immer wieder an Toni Spira, das ist ja klar. Sie war ja auch ein Vorbild für mich und hat sehr humorvolle Interviews gemacht. Ich versuche auch, Humor zu haben, aber irgendwann macht man seinen Job und denkt jetzt auch nicht 24 Stunden am Tag an sie. Es wird auch zur Routine. Was den Vergleich betrifft, möchte ich Hape Kerkeling zitieren, den ich sehr verehre. Er hat gesagt, er übt sich in heiterer Gelassenheit und das mache ich jetzt auch. Dass man sich ständig mit Vergleichen selbst beschäftigt, bringt einem ja auch nichts.

STANDARD: Die "Liebesg’schichten" waren Sommer für Sommer Garanten für gute Quoten, nicht selten gab es über eine Million Zuseher pro Folge. Bei der letzten Staffel waren es Schnitt fast 900.000 dabei. Wie gehen Sie mit dem Quotendruck um?

Horowitz: Es ist falsch, gleich an die Quoten zu denken. Das ist ohnehin immer schwierig vorherzusehen. Man muss ein Produkt machen, das man gut findet und dann schaut man, wie die Quoten sind. Das war bereits beim Schauplatz so. Mit mir hat nie jemand über Quoten geredet, deswegen: Schauen wir einmal, was passiert. Zum Druck: Corona hat uns alle verändert. Man denkt sich, im Leben ist eh nicht alles steuerbar.

STANDARD: Welche Rolle spielt die Auswahl der Kandidatinnen und Kandidaten?

Horowitz: Welche Menschen in einer Sendung vorkommen, ist ganz wichtig. Ob sie spannende Geschichten zu erzählen haben, ob sie lustig sind, ob sie Emotionen auslösen. Das Schlimmste ist Fadesse, das versucht man zu vermeiden. Deswegen löst zum Beispiel der Manfredo, wenn er sich das Mikrofon schnappt und spontan aus dem Fenster das Lied Spanische Orangen singt, bei mir Glücksmomente aus.

"Liebesg’schichten"-Kandidatin Luzia wäre eigentlich eine Comtesse, da aber Adelstitel in Österreich nicht mehr en vogue seien, ist sie einfach eine Pensionistin, die auf Partnersuche geht.
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STANDARD: Was haben Sie über die Liebe gelernt?

Horowitz: Ich habe bereits zuvor gewusst, dass die Liebe kein leichtes Terrain ist, aber man lernt bei jedem Interview etwas. Es geht ja nicht nur um die Liebe, sondern um Einsamkeit, um Fantasie und um Schlappen. Ich glaube, dass ich ein Mensch bin, vor dem man Schwächen zugeben kann. Das macht die Interviewführung leichter und wenn dann Leute vom ersten Date erzählen, wie furchtbar es ist, wenn dann niemand spricht und alle verkrampft schauen, dann kann man gemeinsam lachen. Oder eine Kandidatin, die erzählt hat, wie ihr Mann verstorben ist. In solchen Momenten ist man sehr nahe an den Menschen dran.

STANDARD: Gibt es eine Grenzen, die Sie ziehen, indem Sie sagen: Nein, das kommt nicht auf Sendung, weil etwa Tränen fließen oder es zu tragische Momente sind?

Horowitz: Ja, man hat sein eigenes Gespür, wo man die Grenze zieht und wenn wir finden, dass es zu weit geht, nimmt man Dinge auch nicht, aber der Manfredo zum Beispiel hat ein Bein spontan in die Höhe geworfen, für den ist das ganz normal. Ein anderer würde sagen: Ich tanze doch nicht. Es gibt Leute, die wollen lieber ein Buch lesen und andere, die lieber tanzen und singen. Das obliegt den Kandidaten und nicht uns und wir bringen niemanden soweit, dass er etwas macht, was er nicht tun möchte. Wenn man zehn Jahre beim Schauplatz war: Auch da haben wir geschaut, dass wir Menschen nicht bloßstellen – auch nicht im Off-Text. Ein Credo beim Schauplatz ist, nicht zu werten. Das versuche ich bei den Liebesg’schichten weiterzuführen. Am Schauplatz war sicher eine gute Schule für die Interviewführung, weil du bei Reportagen oft in spontane Situationen kommst. Und das ist schon gut für Interviews.

STANDARD: War es schwierig, bei den Interviews eine Atmosphäre der Offenheit herzustellen?

Horowitz: Ich führe schon seit mehr als 20 Jahren Interviews. Beim Schauplatz waren wir ja auch in Wohnungen, aber natürlich ist es so, dass manche Singles anfangs nervös sind, dann trinkt man einen Kaffee, redet über irgendwelche Malheurs im Leben oder Kleinigkeiten, um sie aufzulockern. Das Auflockern ist das Wichtigste, sonst kommt es zu keinem guten Interview. Mit Distanz geht kein gutes Interview. Es muss eine Nähe da sein. Man schaut sich an und es geht los. Das ist ein Moment, den ich liebe.

STANDARD: Wird das Anbandeln durch Corona schwieriger?

Horowitz: Ich finde das soziologisch sehr spannend. Corona, die Liebe und Einsamkeit. Es ist ein Wahnsinn. Eine Dame hat zum Beispiel gesagt: Mit Corona kam die Einsamkeit. Die hat das vorher gar nicht so gespürt, sie hat machen können, was sie wollte, ohne dass ihr jemand sagt, was sie tun soll. Dann kam Corona und sie konnte niemanden mehr treffen. Wie das mit dem Kennenlernen ist, wissen wir noch nicht, weil wir noch mittendrin stecken. Natürlich ist es schwierig, weil man Abstand halten muss. Aber die Onlineplattformen waren im März zum Beispiel trotzdem total überlaufen. Ich glaube aber, dass die Sehnsucht, sich zu verlieben, bei vielen noch gestiegen ist. Menschen werden sich hoffentlich noch verlieben.

STANDARD: Frau Spira ist ja immer wieder vorgeworfen worden, dass sie Kandidaten bloßstelle. Teilen Sie diese Kritik?

Horowitz: Die Liebesg’schichten gibt es seit dem Jahr 1997. Die Menschen haben ja gewusst, was das für eine Sendung ist. Es hat sich niemand hingesetzt und gedacht, er ist in einer anderen Sendung. Ich sehe die Toni Spira als eine Art Vorbild. Sie hat auch mit den Alltagsgeschichten in den 1980er Jahren revolutionäre Arbeit geleistet und um ihr gesamtes Werk zu beurteilen, dafür bin ich nicht da.

STANDARD: Gerade bei den "Alltagsgeschichten" – etwa am Würstelstand oder auf der Donauinsel – wurden Besoffene gezeigt, die nicht mehr Herr über ihre Sinne waren. Wurden da Grenzen überschritten?

Horowitz: Es steht mir nicht zu, das Werk von Toni Spira zu kommentieren. Ich würde sagen, sie hat mutige Filme gemacht, dass ich sie schon als Vorbild sehen würde. Und die Argumentation bei den Liebesg’schichten finde ich schon richtig: Die Leute wussten ja, wo sie sind.

STANDARD: Haben sich mehr oder weniger Bewerber gemeldet als in den Jahren davor?

Horowitz: Es war ähnlich, diese Sendung hat so eine Strahlkraft. Ich bin wirklich davon überzeugt: Diese Sendung gehört mir nicht. Sie ist eine Plattform für Singles und die machen mit, weil sie einen neuen Partner oder eine neue Partnerin finden möchten. Deswegen ist es auch nicht abgeebbt.

STANDARD: Das heißt, dass die Sendung auch nicht untrennbar mit Spira verbunden ist?

Horowitz: Nein, entweder man sucht oder man sucht nicht und man kann sich vorstellen, bei den Liebesg’schichten mitzumachen oder eben nicht. Ich kann nicht in alle Menschen reinschauen und weiß ja nicht, wer deswegen nicht geschrieben hat, aber es war jetzt keine Not.

STANDARD: Sind Sie bereit für viele weitere Staffeln?

Horowitz: Ich bin bereit für viele weitere Staffeln, vielleicht können wir das hier gleich schriftlich fixieren, aber ich werde das wahrscheinlich nicht alleine entscheiden können (lacht). Ich liebe diesen Job und diese Sendung sehr, weil es großen Spaß macht und ich mir im Moment nichts Besseres vorstellen kann.

STANDARD: Was würden Sie gerne am Ende der Staffel hören, oder welches Resümee würden Sie gerne lesen?

Horowitz: Die Hauptsache ist, dass sich Leute finden. Das wäre ein Traum und das Schönste. (Oliver Mark, 28.6.2020)