Die Polizei vor dem Ernst-Kirchweger-Haus (EKH).

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Am Freitag kam es zu massiven Angriffen türkischer Rechtsextremisten auf kurdische und linke Aktivisten.

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Am Samstag fokussiert sich der Protest bisher auf Wieden – hier im Bild die Argentinierstraße.

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Wien – Bisher weitgehend friedlich ist die Kundgebung von kurdischen und linken Aktivisten am Samstag am späten Nachmittag in Wien-Favoriten verlaufen. "Alles ruhig", hieß es vonseiten der Polizei gegenüber der APA auf Anfrage. Demnach nahmen rund 1.500 Personen an der Kundgebung auf dem Columbusplatz nahe des Wiener Hauptbahnhofs teil.

Danach machten sich die Demonstranten Richtung türkische Botschaft im 4. Bezirk auf. Auf einem der Transparente war zu lesen: "Freiheit für alle politische Gefangenen! Kein Kniefall vor dem Diktator Erdogan". Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan war darauf mit Hitler-Bart abgebildet.

Laut Polizei wurde vereinzelt Pyrotechnik eingesetzt. Laut einer APA-Reporterin an Ort und Stelle kam es während des Demonstrationszuges zu einem kleinen Tumult, als mehrere Frauen den verbotenen Wolfsgruß der ultranationalistischen türkischen "Grauen Wölfe" zeigten. Daraufhin flogen Böller.

Botschaft abgeriegelt

Verletzte oder Festnahmen gab es laut Polizeiinformationen Mal nach Stand Samstagabend unmittelbar nach Ende der Demo dieses Mal keine. Die Demonstranten gelangten zwar in die Prinz-Eugen-Straße, die türkische Botschaft dort war vorbeugend aber von der Polizei weitläufiger abgesperrt worden. Der Journalist Michael Bonvalot zählte in einem Twitter-Eintrag etwa 1.200 Teilnehmer.

Andere Nutzer berichten, dass sich die Lage im zehnten Bezirk, wo sich das linke Zentrum Ernst-Kirchweger-Haus befindet, am Abend wieder zuspitzte.

Botschafter einbestellt

Der türkische Botschafter Ozan Ceyhun ist unterdessen für Montag ins Außenministerium zum Gespräch "eingeladen" worden. Bundeskanzler Sebastian Kurz wird vom "Kurier" mit den Worten zitiert: "Wir werden es nicht zulassen, dass Konflikte von der Türkei nach Österreich hineingetragen und auf unseren Straßen gewaltsam ausgetragen werden." Es sei "wichtig, hier eine "Politik der Nulltoleranz auszuüben". Derart hatte sich davor schon Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) geäußert. Demnach kündigte der Kanzler außerdem verstärkte Polizeikontrollen an "neuralgischen Punkten" in Wien und anderen Städten an.

Zuvor am Samstag hatten FPÖ-Chef Norbert Hofer und der Wiener Landesparteiobmann der Freiheitlichen, Dominik Nepp, Nehammer wegen der Ausschreitungen zum Handeln aufgerufen.

Die Demonstration am Samstag.
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Am Samstag bisher ruhig

In den vergangenen Tagen war es in Wien-Favoriten wiederholt zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen kurdischen und linken Demonstranten einerseits mit türkisch-ultranationalistischen und rechtsextremen Gegendemonstranten andererseits gekommen. Es gab Verletzte, Festnahmen und Sachschäden.

Seit mehreren Tagen kommt es rund um EKH in der Wielandstraße zu Angriffen türkisch-nationalistischer und rechtsextremer Gruppen – darunter solche aus dem Milieu der "Grauen Wölfe" – auf linke und kurdische Aktivisten. So auch am Freitagabend: Zuerst verlief eine Demonstration unter dem Motto "Gegen die Aggressionen und Angriffe türkisch-nationalistischer und islamistischer Gruppen" verhältnismäßig ruhig.

Szenen von der Demo am Freitag.
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Doch zu späterer Stunde kam es zu Zwischenfällen. Laut Polizei kam es nach der Auflösung der Demonstration und später auch am Hauptbahnhof zu Störaktionen. Mehrere hundert Polizisten waren im Einsatz. Teilweise wurde ein Aufeinandertreffen der Gruppen durch Waffengebräuche und "Anwendung von Körperkraft" verhindert, teilt die Exekutive in einer Aussendung mit. Es kam zu drei (vorläufigen) Festnahmen. Darunter ein Demonstrant, der laut Polizei versucht habe, eine Amtshandlung zu unterbinden sowie zwei weitere Männer, die Beamte in einer Sperrkette attackiert hätten. Zudem sei es zu "zahlreichen" Identitätsfeststellungen und Anzeigen gekommen.

Vor Ort war der von türkischen Faschisten zur Schau getragene und verbotene Wolfsgruß zu sehen. Immer wieder versuchten Provokateure, von der Seite in die Versammlung einzudringen. Eingesetzt wurden auch Böller, Flaschen flogen durch die Luft.

An der linken Demo am Keplerplatz hatten an die 400 Personen teilgenommen. Die Polizei hatte die Wielandgasse, wo das in den vergangenen Tagen beschädigte EKH steht, abgesperrt.

Hebein war auf Demo

Auch die Vizebürgermeisterin Birgit Hebein (Grüne) war bei der Demonstration am Freitag anwesend. Daran stören sich ÖVP und FPÖ. Erstere spricht von einem "Skandal der Extraklasse". Stadtrat Markus Wölbitsch und Sicherheitssprecher Karl Mahrer sehen die aktuellen Auseinandersetzungen als Ergebnis "gescheiterter Integrationspolitik von Rot-Grün." Für den Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp ist Hebein gar rücktrittsreif: Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) solle Hebein "aus ihrer Funktion entlassen."

Auch ein paar Dutzend Schaulustige hatten sich abseits der Absperrungen zu den Demonstranten gesellt. Einige Demonstranten erschienen vermummt. Bei Demonstrationen gilt derzeit allerdings, sollte der Abstand nicht gewahrt werden können, Maskenpflicht. (red, van, 27.6.2020)