Wien/Linz – Neue Auftritte von Klaudia Tanner (ÖVP) sorgten am Wochenende für neue Volten der Verteidigungsministerin rund um ihre ausgerufene Bundesheerreform: Nach ihrem Widerruf zu einer Abkehr von der Landesverteidigung erklärte sie Kasernenschließungen nun doch für möglich – nur ganze Garnisonen, bestehend aus mehreren Kasernen, sollen nicht aufgelöst werden. Dazu stellte Tanner "Verdichtungen" und "Neubauten" in Aussicht.

Verteidigungsministerin Tanner, hier mit dem steirischen Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer: Der Vorsitzende der Landeshauptleute-Konferenz, der Oberösterreicher Thomas Stelzer (ebenfalls ÖVP), drängt eindringlich auf den Erhalt von Kasernen.
Foto: APA / Bundesheer / Carina Karlovits

Ein neuer Sturm der Empörung von der rot-blau-pinken Opposition war die Folge: In einem gemeinsamen Brief an Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) verlangen SPÖ, FPÖ und Neos, dass die Ministerin in der Sondersitzung des Nationalrats am Dienstag zu ihren Vorhaben Rede und Antwort steht.

"Überfallsartig" habe Tanner einen tiefgreifenden Umbau des Bundesheeres ankündigt – vorbei am Parlament, kritisiert SPÖ-Vize-Klubchef Jörg Leichtfried per Mitteilung an die APA. FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl zeigt sich darin besorgt um Österreichs Neutralität – nach den Plänen der ÖVP drohe das Bundesheer zu "einer leeren Hülle" ohne die Fähigkeit der verfassungsrechtlich verankerten Landesverteidigung zu verkommen. Neos-Vize-Klubchef Nikolaus Scherak fordert von Tanner echte Reformen anstatt von "Stehsätzen" ein – und zwar mit dem Parlament, Experten und den europäischen Partnern.

Ministerin Tanner will zumindest der Aufforderung, in den Nationalrat zu kommen, "sehr gern" nachkommen, wie ein Sprecher am Sonntag erklärte. Eine Stellungnahme im Plenum sei "fix eingeplant".

Doch die jüngsten Aussagen der Verteidigungsministerin riefen auch schon Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) auf den Plan, derzeit Vorsitzender der LH-Konferenz: Er pochte auf den Erhalt von Kasernen und forderte eine bessere Ausstattung – auch wenn er Tanners Bestrebungen für Reformen unterstütze.

Vielsagende Resolution aus Oberösterreich

In einer Resolution, die ÖVP- und FPÖ-Abgeordnete schon am 16. Juni im schwarz-blau dominierten Landtag Oberösterreichs eingebracht haben und die dem STANDARD vorliegt, wird die Bundesregierung in Wien aufgefordert, das Bundesheer ausreichend zu finanzieren – dazu wird darin die Misere des Militärs in der Corona-Krise aufgezeigt. Mitunterzeichner Wolfgang Hattmannsdorfer, Landtagsmandatar und ÖVP-Landesgeschäftsführer, bestätigt auf Anfrage: Der Initiativantrag sei "aktueller denn je" – auch wenn Tanners Reformvorhaben "in die richtige Richtung" gingen – doch auch Hattmannsdorfer drängt auf den Erhalt von Kasernenstandorten.

Konkret heißt es in der Resolution zum Bundesheer: "Die Auswirkungen der Einsparmaßnahmen sind an einem Punkt angelangt, wo sowohl die militärische Landesverteidigung als auch die Hilfe im Katastrophenfall auf dem Spiel steht." Und weiter: "Dies wurde nun dadurch bestätigt, dass Bundesheersoldaten bei der Grenzüberwachung in Oberösterreich im Frühjahr 2020 mit Fahrzeugen der Straßenmeistereien und Freiwilligen Feuerwehren transportiert wurden." Selbst die heereseigene Sanitätsversorgung sei "auf handelsübliche Autos angewiesen, da die Spezialfahrzeuge nicht in ausreichender Anzahl verfügbar waren". Diese Beispiele seien "nur die Spitze des Eisbergs".

Nicht nachgekommen

Schon am 4. Juli 2019, moniert der Initiativantrag, "beschloss der oberösterreichische Landtag einstimmig eine Resolution an die Bundesregierung, in der eine ausreichende Finanzierung des Heeres gefordert wird", allein: "Dieser Forderung wurde bis dato nicht nachgekommen, weshalb sie aufgrund der aktuellen Gegebenheiten mit Nachdruck erneuert wird." Denn trotz der genannten Einschränkungen sei "auf die Soldaten des Bundesheeres stets Verlass". Fazit der oberösterreichischen Koalitionäre: "Sie benötigen moderne und sichere Ausrüstung, um ihren verfassungsgesetzlichen Auftrag nachzukommen. Nachdem 38 Milliarden Euro in ein Hilfspaket für die Wirtschaft fließen", solle "auch eine entsprechende Finanzierung des Bundesheeres ermöglicht werden".

Immerhin gab sich Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) am Samstag erfreut über einen Kasernenneubau in Villach anstatt der bisherigen drei Standorte, den Tanner zuletzt in Aussicht gestellt hat – weil er sich schon lange dafür ausgesprochen habe. Nur: Zeitpunkt und Kosten auch für diese Zusage waren vorerst unklar – neue Volten womöglich nicht ausgeschlossen. (Nina Weißensteiner, 28.06.2020)