Verteidigungsministerin Tanner und ihre Pläne für das Bundesheer sorgen für Aufregung.

Foto: APA / Bundesheer / Gunter Pusch

Nicht nur Generäle und Landeshauptleute, auch die Medien lernen die türkise Verteidigungsministerin bei ihrem "Durchmarsch" so richtig kennen: Ihr Wort gilt oft keine 48 Stunden – schon heißt es "Kommando retour!"

Seit Klaudia Tanner ihren Reformprozess für das Bundesheer anstoßen hat lassen, stiftet jeder ihrer Auftritte neue Verwirrung: Zuerst sollte unter ihrer Ressortführung die Landesverteidigung als militärische Kernaufgabe gestrichen werden – jetzt qualifiziert sie selbst ein solches Vorhaben als "absurd". Nächster Aufreger: Kasernenschließungen? Soll es "selbstverständlich" doch "nicht geben". Zwei Tage später hört sich Tanner wieder ganz anders an: Ein Aus für diverse Standorte ist sehr wohl möglich. Was denn jetzt?

Auch wenn überzeugte Pazifisten und Friedensbewegte ihren Vorhaben – schweres Geschütz soll beim Bundesheer zurückgefahren werden, das Militär sich auf rasche Katastrophenhilfe und unblutige Cyberdefence & Co. konzentrieren – durchaus etwas abgewinnen konnten: Die sicherheitspolitische Ignoranz, mit der die studierte Juristin ihren Diskussionsprozess eingeleitet hat, ist mittlerweile unübersehbar.

Tumult und Unruhe

Dass eine Verteidigungsministerin handstreichartig und ohne jede Konsultation mit den anderen Stützen des Staates die verfassungsrechtlich verankerte Landesverteidigung entsorgen wollte, ist ungefähr so grenzwertig, als würde der Innenminister plötzlich den Versuch starten, das staatliche Gewaltmonopol für die Exekutive abzuschaffen. Oder die Justizministerin das Grundprinzip der unabhängigen Gerichtsbarkeit im Alleingang kippen wollen. Tumult und Unruhe statt Sicherheit und Ordnung wären auch da die Folge.

Damit nicht genug, zirkulieren in Tanners Ressort Papiere, die darauf hinweisen, dass die Verteidigungsministerin – außer erneut den Sparstift beim Bundesheer regieren zu lassen – keinen Plan hat: Denn auch darin werden von ihrem Stab konventionelle Angriffe auf Österreich oder systemischer Terrorismus hierzulande für absehbare Zeit in Abrede gestellt, aber für den Leider-doch-Fall für die Republik explizit "der Schutz über den Nato-Verbund" erwartet. Geht’s noch unverblümter?

Ausblendung der Neutralität

Die Neutralität als Staatsdogma blenden Tanner & Co dabei offenbar aus. Ebenso, dass Österreich im Rahmen der EU-Sicherheitspolitik und seiner Möglichkeiten weiterhin gefordert ist, an den Rändern Europas – wie etwa am mühsam befriedeten Balkan – solidarisch für Stabilität zu sorgen. Denn sonst könnten erneut Konflikte aufflackern und Grenzen verschoben werden. Mit einem zum technischen Hilfswerk zusammengesparten Bundesheer fürs Inland, wie es die türkise Sicherheitspartei vorsieht, gilt die Beteiligung an solchen Friedensmissionen jedoch bald als unmöglich.

Dass sich Krisen binnen kurzer Zeit anschleichen können, hat zuletzt die Pandemie gezeigt. Seitdem gilt auch ein Blackout nicht bloß für militante Prepper als möglich – und der kann in Sekundenschnelle eintreten.

Doch schon der Corona-Lockdown machte sichtbar: Zur polizeilichen Assistenz musste das Bundesheer samt Miliz ausrücken, um ebenfalls für geordnete Verhältnisse zu sorgen – wegen seiner Budgetmisere zum Teil mit Fahrzeugen der Straßenmeistereien und der Feuerwehr. Statt solche Missstände ein für alle Mal zu beenden, betreibt Tanner Management by Chaos. (Nina Weißensteiner, 28.6.2020)