Die Wahlbeteiligung ist möglicherweise coronabedingt um rund zehn Prozentpunkte gesunken.

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Es waren die ersten Wahlen in Österreich seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie. 800.000 Steirerinnen und Steirer wählten am Sonntag – mit Ausnahme von Graz – ihre Gemeindevertretungen, und es bewahrheitete sich der Wiener Spruch: "Es sind schon Hausmasta g'storben."

In einigen Gemeinden mussten gestandene Bürgermeister herbe Niederlagen einstecken, im obersteirischen Selzthal etwa, einer erzroten Gemeinde, drehte die ÖVP politisch den Spieß um. Die SPÖ stürzte von 80,25 auf 49,36 Prozent, die ÖVP holte sich erstmals seit Jahrzehnten mit einem Sprung auf 50,64 Prozent den Bürgermeistersessel. "Eine Sensation", jubelte ÖVP-Geschäftsführer Detlev Eisel-Eiselsberg.

Detto in Mariazell: Auch hier konnte die ÖVP das Ergebnis umdrehen. Aus rot wurde, wie all die Jahre zuvor, wieder schwarz. Der SPÖ-Bürgermeister trat umgehend zurück.

Die ÖVP als große Wahlsiegerin kam im gesamten Bundesland – nach 42,7 – auf 47,2 Prozent. Sie konnte in 190 der 285 Gemeinden zulegen. In 15 davon erreichte sie mehr als 80 Prozent der Stimmen, in nur zwei kam sie auf weniger als zehn Prozent. Verluste setzte es in 95 Gemeinden. Die SPÖ steigerte sich leicht von 31,6 auf 31,9. In 126 Gemeinden durfte sie sich über Zuwächse freuen. Verluste setzte es in 152 Gemeinden, angetreten war die SPÖ in 278.

Die FPÖ stürzt von 13,9 auf 8,2 Prozent ab. Sie konnte in nur 42 der 233 Gemeinden, in denen sie antrat, zulegen. Die Grünen legten um 1,5 auf 4,7 Prozent zu. Die Grünen verzeichneten in fast allen der 102 Gemeinden, in denen sie kandidierten, Zugewinne: 94-mal gab es ein grünes Plus, nur achtmal ein Minus.

Die KPÖ legte von 1,5 auf 1,6 und die Neos von 0,4 auf 0,6 Prozent zu. Die Bürger- und Namenslisten erreichten in Summe 5,8 Prozent, ein Minus von 0,8 Prozentpunkten.

Die Wahlbeteiligung ist möglicherweise coronabedingt um rund zehn Prozentpunkte gesunken.

Corona spielte keine Rolle

Es gab aber ebenso die andere Seite der Medaille: Auch die ÖVP verlor einige ihrer Ortskaiser, und die SPÖ holte sich wieder Stimmen zurück. In Summe war das Ergebnis für beide Parteien durchwachsen, auch wenn es für die ÖVP definitiv besser ausfiel.

Was diese Gemeinderatswahlen zumindest deutlich machten: Die Corona-Maßnahmen, so sehr sie auch den einen oder anderen vor Ort ärgerten oder erfreuten, wirkten nur marginal auf das Wahlergebnis ein.

Einige Ortschefs konnten vielleicht punkten, weil sie sich während des Lockdowns besonders um die Versorgung der Bürger gekümmert hatten, was jetzt honoriert wurde.

FPÖ verliert Bürgermeister

Schon nach Vorliegen der ersten Ergebnisse war für die FPÖ jedenfalls deutlich: Auch das war kein Wahltag für die Blauen. Sie stürzten deutlich ab. Sogar der einzige FPÖ-Bürgermeistersessel, jener in der Bergbaugemeinde Breitenau, ging verloren. Es gab nur einzelne Ausreißer, etwa in Heiligenkreuz am Waasen, wo der FPÖ-Landtagsabgeordnete Gerhard Hirschmann antrat. Hirschmann hatte während des Corona-Lockdowns eine Party gefeiert und war von der Polizei angezeigt worden. Seine FPÖ legte von zwei auf vier Mandate zu.

In den obersteirischen SPÖ-Hochburgen – mit Ausnahmen wie Selzthal – konnten die Sozialdemokraten zwar wieder einigermaßen Tritt fassen und ihre Zentren Leoben oder Kapfenberg weitgehend halten. Die ÖVP gewann dennoch in SPÖ-Städten abermals dazu, in einigen sogar massiv. Sie fügte den Roten schmerzhafte Verluste zu – wie in Rottenmann, Eisenerz oder eben Selzthal. Das machten die wenigen roten Zugewinne in ÖVP-Gemeinden nicht wett.

Bitter für die SPÖ auch das Gemeindeergebnis von Mureck: Dort hatte sich der langjährige Landesgeschäftsführer der Partei und jetzige Bürgermeister Toni Vukan von der SPÖ entfernt und mit seinem ÖVP-Vize eine eigene Liste gegründet. Vukan fuhr mit 67 Prozent einen haushohen Sieg ein, 15 der 25 Gemeinderatsmandate stehen nun auf seinem Konto.

Auch die Grünen im Plus

Die Grünen verbuchten quer durchs Land kleinere Zugewinne. Die Ergebnisse der Neos und der KPÖ blieben ihm Rahmen der Erwartungen – mit Ausnahme von Leoben: Hier war bis zuletzt nicht klar, ob die SPÖ ihre Absolute wird halten können. Die KPÖ war schon auf dem Sprung zur Nummer zwei. In der Endabrechnung spätabends verlor die SPÖ zwar drei Prozent, konnte aber ihre Absolute gerade noch halten. Die ÖVP schob sich schließlich noch vor die KPÖ auf Platz zwei.

Für den Politikwissenschafter Klaus Poier von der Karl-Franzens-Universität in Graz ist vor allem ein Trend von Bedeutung: In den vergangenen 15 Jahren haben sich ÖVP und SPÖ deutlich auseinanderentwickelt. Zuvor standen beide Parteien auf einem ähnlichen Level, seither verbesserte die ÖVP sukzessive ihre Ergebnisse, während die SPÖ an Boden verlor. Ein Strukturproblem der SPÖ, vermutet Poier im Gespräch mit dem STANDARD. (Walter Müller, 29.6.2020)