Polens Präsident Andrzej Duda.

Foto: Filip Radwanski via www.imago-images.de

Warschau – Polens Ex-Präsident Lech Wałęsa hatte sich für die Wahl des Staatsoberhaupts extra in Schale geworfen: "Konstytucja", also "Verfassung", stand auf seinem T-Shirt, als er am Sonntag in Danzig seinen Wahlzettel in die Urne warf. Das Wort ist in Polen längst zum Kampfbegriff gegen die regierenden Nationalpopulisten von der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) geworden. Ihr wirft die Opposition vor, mit ihrer sogenannten Justizreform die Gerichtsbarkeit kontrollieren und damit die Gewaltenteilung im Land aushebeln zu wollen.

Bei der Präsidentenwahl am Sonntag hat der nationalkonservative Amtsinhaber Andrzej Duda nach ersten Prognosen nun die für eine Wiederwahl nötige absolute Stimmenmehrheit verpasst. Er muss sich nun in zwei Wochen einer Stichwahl gegen den oppositionellen Kandidaten Rafał Trzaskowski stellen. Duda kam laut Exit-Polls auf 41,8 Prozent der Stimmen, Trzaskowski auf 30,4 Prozent.

Die Wahlbeteiligung war trotz der Corona-Pandemie hoch. Gemäß dem Institut Ipsos lag sie bei 62,9 Prozent.

Duda dankte am Sonntagabend seinen Wählern in Lowicz für die Unterstützung. Wichtig sei, dass das Land so geführt werde, wie es die Mehrheit der Bevölkerung wolle, sagte Duda unter Jubelrufen seiner Anhänger. Er gratulierte seinem Herausforderer Trzaskowski zu dessen Erfolg.

"Polen will den Wechsel"

Trzaskowski sagte vor Anhängern in Warschau, das Ergebnis zeige, dass ein hoher Prozentsatz der Polen den Wechsel wolle. "Wir haben immer noch die Chance zu siegen." Die zweite Wahlrunde werde darüber entscheiden, ob Polen einen Präsidenten bekomme, der der Regierung genau auf die Finger sehe, oder jemanden, der seine eigene Unterschrift nicht achte.

Die Wahl galt auch als eine Art Volksabstimmung über die Politik der PiS, die seit 2015 den Präsidenten stellt und über die absolute Mehrheit im Parlament verfügt. Eine zweite Amtszeit Dudas würde ihr Machtmonopol bis zur nächsten Parlamentswahl 2023 untermauern.

Das Amt des polnischen Staatspräsidenten ist nicht rein repräsentativ, der Präsident hat weitreichende Vollmachten und kann Gesetze nicht nur mit einem Veto blockieren, sondern auch eigene Gesetzesinitiativen anstoßen.

Trzaskowski repräsentiert das größte Oppositionsbündnis, die liberalkonservativen Bürgerkoalition (KO). Sein Sieg in der zweiten Runde könnte bedeuten, dass die PiS bei fast allen Gesetzesvorhaben damit rechnen muss, dass der Präsident von seinem Veto-Recht Gebrauch macht und die Initiativen stoppt. Trzaskowski hat bereits angekündigt, dass er die umstrittene Justizreform der PiS rückgängig machen will.

Corona sorgte für Verschiebung

Die Wahl war ursprünglich für der 10. Mai geplant. Da zu diesem Zeitpunkt wegen der Corona-Pandemie das öffentliche Leben praktisch lahmgelegt war, wurde der Termin nach einem heftigen politischen Streit kurzfristig verschoben.

In den Wahllokalen galten am Sonntag besondere Schutzvorschriften. Im Zentrum von Warschau standen die Menschen mit Gesichtsmasken vor den Wahllokalen Schlange, da in den Räumen nur eine begrenzten Personenzahl zugelassen war. Desinfektionsmittel standen am Eingang bereit, die Wahlhelfer trugen Handschuhe und durchsichtige Gesichtsvisiere. Wähler waren angehalten, ihr Kreuz mit einem eigenen Stift zu machen. (schub, red, APA, 28.6.2020)