Philipp Timischls gesellschaftskritische Suche nach Wahrheit: "In your aesthetic path".

Foto: Philipp Timischl / Courtesy Emanuel Layr Galerie

Wie ein dreiflügeliger Altar öffnet sich das Gewerbehaus zum Rudolf-Sallinger-Platz im dritten Bezirk in Wien. Gegenüber blinzeln grüne Stadtpark-Ausläufe, zur Linken starrt das monströse Hotel Intercontinental. Auch das denkmalgeschützte, in den 1950er-Jahren von Carl Appel erbaute und nun in ein Baugerüst gehüllte Gewerbehaus soll nächstes Jahr in ein Lifestyle-Hotel umgewandelt werden.

Davor nutzte es die Wirtschaftskammer – seit dem Frühjahr 2019 steht es weitgehend leer. Diesen September wird hier die Kunstmesse Parallel stattfinden, wie vorige Woche bekannt wurde. Wie jedes Jahr wurde nach einem freien Gebäude gesucht, das bespielt werden kann.

Auf längere Sicht

Ähnlich ist auch der Neue Kunstverein Wien stets auf der Suche nach einer Herberge, allerdings auf längere Sicht. Man versuche, jeweils für ein Jahr zu bleiben, erzählt die Leiterin Kasia Matt-Uszynska. Vorherige Stationen waren das Hochhaus in der Herrengasse oder die Goethegasse beim Burggarten. Anfang des Jahres ist sie mit dem seit 2011 bestehenden alternativen Kunstraum, der sich als "freie Zone" versteht, in den dritten Stock des Gewerbehauses gezogen. Dass die Parallel im Herbst auch hierherkomme, freue sie: "Endlich neue Nachbarn."

Denn aktuell ist der Kunstverein in den langen Bürokorridoren noch allein. In vier ehemaligen Konferenzräumen zeigt die neue Ausstellung The Digital Effect vier zeitgenössische Künstlerpositionen. Dass das Thema Digitalisierung in der Kunst so ein hoch aktuelles sein wird, das haben Matt-Uszynska und Co-Kuratorin Synne Genzmer bei der Konzeption vor der Krise nicht erahnt. Nun könne man die Arbeiten auch anders lesen – selbst wenn das Thema nur unterschwellig präsent ist.

Fake-News und Diaprojektor

Darin wird zwar vom Digitalen ausgegangen, schließlich aber in analoge Medien übersetzt. Es ist eine ständige Suche nach Original und Fälschung: Heinrich Dunst hängt in seiner fast schüchternen Installation leichtes Papier – ähnlich einem Mindmap – an die Wände und bildet so den Ausgang der Schau. Darauf imitieren Fotos, Filmstreifen, Bildmontagen und Begriffe prozesshaft die Informationsflut im Internet.

Philipp Timischl fragt hingegen weniger subtil nach der Wahrheit – dafür tut er es dann umso gesellschaftskritischer: Timischl schichtet Materialien zu collagierten Trugbildern, die bunte Slogans tragen. Man denkt an Werbung, reißerische Headlines und Fake-News.

Wer hat es verfasst?

Jene illusorische Komponente findet man auch bei Sophie Gogls objekthaften Tableaus aus bemaltem Holz. Sie muten wie große Notizblöcke aus Papier an, in die sich dunkle Brandlöcher gebohrt haben. Dazwischen lugen Textfragmente hervor – wer hat sie verfasst? Kann man der Quelle trauen? Bei Hugh Scott-Douglas klacken schließlich 60 penibel gestaltete Dias in einem Projektor. Über den Motiven schweben riesige Buchstaben, womit er sich auf Heinrich Dunst bezieht und man somit wieder am Anfang ist. (Katharina Rustler, 29.6.2020)