Beteigeuze ist ein atemberaubend großer Stern. Im sogenannten Hertzsprung-Russell-Diagramm, in dem die Sterne nach ihrem Spektraltyp und ihrer absoluten Helligkeit klassifiziert sind, wird er unter die Roten Überriesen eingereiht. Unsere Sonne würde etwa eine Milliarde Mal in diesen Giganten hineinpassen, sein Durchmesser übertrifft jenen unseres Zentralgestirns um das Tausenfache. Wäre Beteigeuze an der Stelle unserer Sonne, würde seine Oberfläche bis annähernd zur Jupiter-Umlaufbahn reichen. Entsprechend strahlt auch sein Feuer: Im sichtbaren Licht scheint der Riesenstern etwa 10.000-mal heller als die Sonne.

Video: die Sonne und Beteigeuze im Größenvergleich.
The Bendu Order

Überriese am Ende seines Lebens

Obwohl der Schulterstern des Sternbilds Orion zu den zehn hellsten Sternen am Nachthimmel zählt und einer der wenigen ist, die beim Blick durch ein Teleskop als Fläche sichtbar werden, herrscht nach wie vor Unklarheit darüber, wie weit Beteigeuze tatsächlich von uns entfernt liegt. Lange Zeit ging man von rund 700 Lichtjahren aus, in den 1990er-Jahren ergaben Messungen dagegen eine Distanz von etwa 430 Lichtjahren. Dieser Wert wurde inzwischen wieder nach oben korrigiert: Aktuell geht man von 640 Lichtjahren aus, freilich mit einem recht großen Unsicherheitsfaktor von 150 Lichtjahren.

Mit rund zehn Millionen Jahren ist Beteigeuze im Vergleich zur Sonne ein sehr junger Stern – und doch ist das Ende seiner Lebenszeit bereits erreicht: Nach allem, was man über Beteigeuze weiß, explodiert der Stern in für astronomische Verhältnisse baldiger Zukunft in einer Supernova. Haben sich danach die Wolken verzogen, wird an der Stelle des heute 20 Sonnenmassen schweren Beteigeuze wahrscheinlich ein Neutronenstern rotieren. Ob das freilich innerhalb der nächsten tausend Jahre passiert oder erst in hunderttausend Jahren, daran scheiden sich die Geister.

Rätselhaftes Phänomen

Seit vergangenem Oktober legt Beteigeuze allerdings ein Verhalten an den Tag, das einige Fachleute zu Spekulationen verleitet, wonach das explosive Finale seiner Existenz unmittelbar bevorstehen könnte. Innerhalb weniger Wochen hatte der Überriese mehr als die Hälfte seiner Leuchtkraft eingebüßt. Im Februar schien er auf neueren Aufnahmen der Europäischen Südsternware (Eso) des Paranal-Observatoriums im Norden Chiles sogar seine Oberfläche verändert zu haben. Obwohl Beteigeuze, was seine Helligkeit betrifft, schon früher recht wankelmütig war, ist sein jüngstes Benehmen doch einigermaßen ungewöhnlich. Wissenschafter diskutierten eine Reihe von Szenarien, die das Phänomen erklären könnten. Als wahrscheinlichste Ursache wurde zunächst von Beteigeuze ausgestoßener Staub genannt, der den Stern verdunkelt haben könnte.

Die hochaufgelösten Bilder von Beteigeuze zeigen die Helligkeitsverteilung im sichtbaren Licht auf seiner Oberfläche vor und während seines Helligkeitseinbruchs.
Fotos: ESO / M. Montargès et al.

Das dürfte es aber nun doch nicht sein, denn ein internationales Team unter der Leitung von Thavisha Dharmawardena vom Max-Planck-Institut für Astronomie konnte nachweisen, dass Temperaturschwankungen der Photosphäre, also der leuchtenden Oberfläche des Sterns, die Helligkeit von Beteigeuze verändern. Die plausibelste Quelle dafür sind gigantische kühle Sternflecken, ähnlich wie Sonnenflecken, die jedoch 50 bis 70 Prozent der Sternoberfläche bedecken, wie die Forscher in den "Astrophysical Journal Letters" berichten.

Staubige Überriesen

"Gegen Ende ihres Lebens werden Sterne zu Roten Riesen", erklärt Dharmawardena. "Hervorgerufen durch den zur Neige gehenden Vorrat an Brennstoff verändern sich die Prozesse, mit denen die Sterne Energie freisetzen. In der Folge blähen sie sich auf, werden instabil und pulsieren mit Perioden von hunderten oder sogar tausenden Tagen, was wir als Schwankung der Helligkeit wahrnehmen." Wegen der enormen Ausdehnung ist die Schwerkraftwirkung auf der Oberfläche von Roten Überriesen wie Beteigeuze geringer als auf einem Stern gleicher Masse, aber kleineren Radius. Die äußeren Schichten des Sterns werden daher relativ leicht durch die Pulsationen abgestoßen.

Video: Im Infrarotlicht werden die Staubwolken rund um Beteigeuze erkennbar.
European Southern Observatory (ESO)

Das freigesetzte Gas kühlt ab und entwickelt sich zu Verbindungen, die Astronomen "Staub" nennen. Deswegen sind rote Riesensterne eine wichtige Quelle von schweren Elementen im Universum, aus denen sich schließlich Planeten und Lebewesen entwickeln. Astronomen haben bisher die Erzeugung von lichtabsorbierendem Staub als die wahrscheinlichste Ursache für den starken Helligkeitsabfall angesehen. Um diese Hypothese zu testen, werteten Dharmawardena und ihre Kollegen neue und archivierte Daten des Atacama-Pathfinder-Experiments (Apex) und des James-Clerk-Maxwell-Teleskops (JCMT) aus. Diese Teleskope messen Strahlung aus dem Spektralbereich der Submillimeterwellen (Terahertz-Strahlung), deren Wellenlänge tausendmal größer ist als die des sichtbaren Lichts. Für das Auge unsichtbar, nutzen Astronomen sie bereits längere Zeit, um interstellaren Staub zu untersuchen. Insbesondere kühler Staub leuchtet bei diesen Wellenlängen.

Messbare Abkühlung

"Was uns überraschte: Beteigeuze wurde auch im Bereich der Submillimeterwellen um 20 Prozent dunkler", berichtet Steve Mairs vom East Asian Observatory, Koautor der Studie. Ein solches Verhalten ist erfahrungsgemäß nicht mit der Anwesenheit von Staub vereinbar. Daher muss der Stern selbst die von den Astronomen gemessene Helligkeitsänderung verursacht haben. Physikalische Gesetze besagen, dass die Leuchtkraft eines Sterns von seinem Durchmesser und besonders stark von seiner Oberflächentemperatur abhängt. Verringert sich nur die Größe des Sterns, sinkt die Helligkeit in allen Wellenlängen gleich stark. Temperaturänderungen beeinflussen die Abstrahlung entlang des elektromagnetischen Spektrums jedoch unterschiedlich. Die gemessene Verdunkelung im sichtbaren Licht und in den Submillimeterwellen ist nach Ansicht der Wissenschafter daher ein Beleg für eine Verringerung der mittleren Oberflächentemperatur von Beteigeuze, die sie auf 200 K (oder 200 Grad Celsius) beziffern.

Großen Sternflecken dürften für Beteigeuzes Helligkeitsabfall verantwortlich sein. Solche roten Riesensterne geben während ihrer Pulsationen regelmäßig Gas an die Umgebung ab, das zu Staub kondensiert.
Illustr.: MPIA

"Wahrscheinlicher ist jedoch eine ungleiche Temperaturverteilung", erklärt Koautor Peter Scicluna von der Europäischen Südsternwarte. "Entsprechende hochauflösende Bilder von Beteigeuze vom Dezember 2019 zeigen Bereiche mit unterschiedlicher Helligkeit. Zusammen mit unserem Ergebnis ist dies ein klarer Hinweis auf riesige Sternflecken, die zwischen 50 und 70 Prozent der sichtbaren Oberfläche bedecken und eine niedrigere Temperatur als die hellere Photosphäre aufweisen." Sternflecken kommen bei Riesensternen häufig vor, allerdings nicht in diesem Ausmaß. Über ihre Lebensdauer ist nicht viel bekannt. Jedoch scheinen theoretische Modellrechnungen mit der Dauer des Helligkeitseinbruchs von Beteigeuze vereinbar zu sein.

Zyklischer Helligkeitsabfall?

Von der Sonne wissen wir, dass die Anzahl der Flecken in einem elfjährigen Zyklus zu- und abnimmt. Ob Riesensterne einen ähnlichen Mechanismus haben, ist ungewiss. Ein Hinweis darauf könnte das vorige Helligkeitsminimum darstellen, das bereits deutlich stärker ausgeprägt war als diejenigen in den Jahren davor. "Beobachtungen in den kommenden Jahren werden zeigen, ob der starke Abfall der Helligkeit Beteigeuzes im Zusammenhang mit einem Fleckenzyklus liegt. Beteigeuze bleibt jedenfalls auch für zukünftige Studien ein spannendes Objekt", meint Dharmawardena. (tberg, red, 30.6.2020)