Ein Werk des deutschnationalen Bildhauers Arminius Hasemann wurde in Berlin beschädigt, zu sehr transportierte es rassistische Stereotype

Foto: AFP

In der Leuchtenburgstraße im bürgerlichen Berliner Bezirk Zehlendorf wurde vor zwei Wochen eine Statue enthauptet. Von einem Zusammenhang mit den gegenwärtigen Auseinandersetzungen über historisches Erbe und Rassismus ist auszugehen, denn die Muschelkalkfigur Hockende Negerin (1920) von Arminius Hasemann galt schon seit einiger Zeit als unzumutbar.

"Die besagte Figur stellt eine afrikanische Frau nackt, affenartig und einfältig dar und ist daher stark geeignet, rassistische Stereotype zu transportieren." Mit diesen Worten hatten die Grünen vor einem Jahr im Bezirksparlament beantragt, das Werk besser in ein Museum zu bringen, um es dort entsprechend kommentiert zu zeigen. Als expressionistisches Kunstwerk soll es weiterhin einen Wert haben dürfen, als Ausdruck eines Menschenbilds aber konnte und sollte es so im öffentlichen Raum nicht Bestand haben.

Nazi-Kulturwart

Dass der Schöpfer Arminius Hasemann nicht nur zeitbedingt und unreflektiert einem Zerrbild von Afrika aufsaß, sondern tatsächlich auch bewusst sein Bild eines Untermenschenwesens zum Ausdruck bringen wollte, kann man aufgrund seines Lebenswegs vermuten: Er trat 1932 der NSDAP bei und machte sich während des Zweiten Weltkriegs als Nazi-Kulturwart in Berlin unbeliebt.

Wer immer seine Statue ramponierte, wollte wohl mit der Diskussion über den künstlerischen Wert nichts zu tun haben, sondern einfach ein Machwerk beseitigen. Ein Faun von Hasemann aus derselben Zeit soll hingegen am gleichen Ort bleiben, wobei es bei mythologischen Figuren keineswegs von vornherein ausgemacht ist, dass sie vor rassistischen Darstellungen gefeit sind. Und eine Affengruppe von Hasemann im Zoologischen Garten ist für sich besehen harmlos, im Kontext seines gesamten Werks hingegen keineswegs per se frei von Ideologie.

Berlin ist aufgrund seiner exponierten Position in der Geschichte des 20. Jahrhunderts ein Ort, an dem Denkmalkontroversen besonders stark anschlagen. Noch vor dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd plädierte im Mai der ehemalige Baustadtrat Peter Strieder dafür, die faschistischen Statuen vom Berliner Olympiapark zu entfernen.

Eine kleinen Zeitreise

Woche für Woche pilgern Fußballfans auf dem Weg in das architektonisch klug überarbeitete, im Kern aber immer noch die Bausubstanz von 1936 bewahrende Olympiastadion an zwei Rosse-führern vorbei. Diese Skulpturen von Josef Wackerle stehen – neben benachbarten Arbeiten von Arno Breker oder Josef Thorak – für den monumentalen Heldenkitsch des NS-Regimes, und sie stehen so eben bis heute herum. Soll man sie besser beseitigen?

Für die rassistische Skulptur von Arminius Hasemann gibt es in Berlin schon einen Bestimmungsort. Seit 2016 kann man in der Zitadelle Spandau eine Dauerausstellung sehen, die durch die aktuellen Ereignisse unvermutet an Brisanz gewonnen hat. Unter dem Titel Unverhüllt kann man hier eine kleine Zeitreise unternehmen.

Sie wird gesäumt von Monumenten, die im öffentlichen Raum der Stadt einmal wichtig waren, nunmehr aber nicht mehr opportun sind. Bei vielen Helden aus der Zeit des kurzlebigen Deutschen Reichs von 1871 bis 1918 lag die Deponierung schon aus dem einfachen Grund nahe, dass sich die nachfolgenden Systeme nicht von endlosen Reihen von überlebensgroßen Aristokraten mit unterschiedlich ausgeprägtem Imposanzbauch repräsentiert sehen wollten. Markgraf Otto von Wittelsbach (Beiname Otto der Faule, 1346–1379) war ohne dynastische Schutzmacht einfach nicht mehr wichtig genug, um in Berlin öffentlich versteinert herumzustehen.

Missverständnis der Überlegenheit

Das Revolutionsdenkmal hingegen, mit dem Mies van der Rohe 1926 an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht und an den Versuch einer Revolution in Deutschland 1919/20 erinnern wollte, fiel den Nazis zum Opfer und wäre allenfalls nach 1945 ein Fall für eine Neuerrichtung gewesen.

Dass die DDR noch 1983 dem gefürchteten kommunistischen Säuberer und Geheimdienstler Felix Dzerzhinsky (1877 bis 1926) ein Denkmal errichtete, erwies sich als historisch blind und als kurzlebig.

Die Skulptur von Arminius Hasemann würde im Kontext der Ausstellung in der Zitadelle Spandau gut zwischen all die Wittelsbacher und Hohenzoller passen, denen man auch mit häufig fehlender Nase (die bricht bei Statuen als Erstes weg) noch ansieht, dass sie dem Missverständnis der Überlegenheit bestimmter Menschen entsprungen sind. Der Denkmalstreit kann diese Umstände erhellen. Deswegen ist er mit guten Argumenten zu führen, allerdings nicht unbedingt mit dem Hammer. (Bert Rebhandl, 30.6.2020)