Peking plakatiert in Hongkong in Sachen Sicherheitsgesetz.

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Der Hongkonger Demokratieaktivist Joshua Wong glaubt, dass der 30. Juni sein vorerst letzter Tag in Freiheit sein wird. Auf Twitter zitierte er einen Veteranen des Tiananmen-Massakers, wonach Wong und der Medientycoon Jimmy Lai am 1. Juli verhaftet werden würden. Denn am Dienstag wird wahrscheinlich das umstrittene nationale Sicherheitsgesetz in Kraft treten. "Mit drakonischen Strafen hängt dieses Gesetz wie ein Damoklesschwert über der Zivilgesellschaft und der Business-Community der Stadt", schrieb Wong. "Hongkong steht an der Schwelle zum Kollaps. Ich rufe die Welt auf, Peking dazu zu bringen, das Gesetz zurückzunehmen."

Die Führung in Peking beschloss ein solches Sicherheitsgesetz Ende Mai auf dem Nationalen Volkskongress. Die Krux ist: Bis heute kennt niemand den genauen Inhalt des Entwurfs. Nur zaghaft dringen Nachrichten darüber nach außen. Klar ist nur, dass es sich gegen die Demokratiebewegung richtet. So soll das Gesetz "subversive Tätigkeiten" und "heimliche Absprachen mit Kräften im Ausland" bestrafen. Zudem wird Peking aller Voraussicht nach "Sicherheitsbüros" in der Stadt unterhalten und direkt gegen Kritiker vorgehen. Aktivisten wie Wong befürchten, dass sie mit dem neuen Gesetz dem Festland ausgeliefert und vor Gericht gestellt werden können. Wong geht davon aus, dass ihm lebenslängliche Haft droht.

Gegen Rechtssicherheit

Neben Menschenrechtsgruppen befürchtet auch die Organisation Reporter ohne Grenzen, dass Peking nach der Verabschiedung des Gesetzes stärker gegen kritische und unliebsame Journalisten vorgehen wird. Zudem untergräbt das Gesetz die Rechtssicherheit der Stadt, aufgrund derer Hongkong bis heute bei vielen ausländischen Unternehmen beliebt ist.

Der 1. Juli ist zudem der Jahrestag der Übergabe der ehemaligen britischen Kronkolonie Hongkong an China. Damals hatte die Führung in Peking der Stadt weitgehende Autonomie unter dem Slogan "Ein Land, zwei Systeme" bis 2049 zugesichert. Mit dem neuen Gesetz bricht Peking diese Abmachung, da es das Parlament der Stadt umgeht. International stößt das Gesetz auf heftige Kritik, zu Konsequenzen kommt es allerdings so gut wie nicht. Nur die USA haben Hongkong die bisher gewährte Sonderbehandlung entzogen. Aufgrund seines Status waren zum Beispiel Waren aus Hongkong bisher von den amerikanischen Strafzöllen ausgenommen.

Kritik verboten

Das wiederum aber spielt Pekings Strategie langfristig in die Hände. In den kommenden Jahren nämlich soll die Region um das Perlfluss-Delta zu einer Wirtschaftszone zusammenwachsen – dazu zählen neben Hongkong auch die Metropolen Guangzhou, Shenzhen und weitere Millionenstädte. Hongkong soll so weiter in seiner Bedeutung marginalisiert werden und in einem breiteren Verbund aufgehen.

Zhao Lijian, Sprecher des chinesischen Außenministeriums, verbat sich jede Kritik an dem Gesetz. Dies sei eine "Einmischung in die inneren Angelegenheit Chinas". Zudem sollen US-Vertreter, die sich "in der Hongkong-Frage unerhört verhalten", keine Visa mehr erhalten. Vergangene Woche hatte die US-Regierung ihrerseits Einreisebeschränkungen für Mitglieder der Kommunistischen Partei verhängt, die "die Autonomie Hongkongs untergraben".

Traditionell kommt es um den 1. Juli alljährlich zu Protesten. Diesmal aber hatte die Stadtregierung zum ersten Mal seit 17 Jahren Versammlungen untersagt. (Philipp Mattheis, 29.6.2020)