Mit einer klimafreundlichen Politik konnte Anne Hidalgo die Stimmen für sich gewinnen.

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Bei den französischen Kommunalwahlen im Amt bestätigt, führt die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo die "grüne Welle" in Frankreich an. Für die Präsidentenwahl wird sie nun als ernsthafte Alternative zu Emmanuel Macron und Marine Le Pen gehandelt.

Am Sonntag wurde die 61-jährige Sozialistin souverän wiedergewählt. Mit 48,5 Prozent lag sie klar vor der Konservativen Rachida Dati (35,6 Prozent) und der Macronistin Agnès Buzyn (13,5). Die beiden warfen ihr im Wahlkampf vor, sie denke nur an ihre Wähler: Für die jungen, grünen "Bobos" (bourgeois-bohème) baue sie massenhaft Sozialwohnungen und Radwege; die Kriminalität und die Rattenplage in Paris kriege sie indessen nicht in den Griff.

Lächelnd, mit weicher Stimme bestätigte Hidalgo in einem TV-Duell: Ja, sie wolle den Anteil der Sozialwohnungen bis 2030 von heute unter 20 auf 30 Prozent erhöhen. Nur so könne man den horrenden Immobilienpreisen in Paris – über 10.000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche – entgegensteuern. Auch kämpfe sie gegen Plattformen wie Airbnb, die Wohnhäuser in anonyme Tourismusabsteigen verwandelten und ganze Viertel wie das Marais ihrer Wohnbevölkerung beraubten.

Mit 14 Jahren nach Paris gezogen

Und ja, fügte Hidalgo an, Paris solle eine Fahrradstadt werden. Das wäre eine Revolution für die chronisch verstopften Boulevards. Geduldig arbeitet die Andalusierin, die mit 14 Jahren nach Paris gekommen war, auf dieses Ziel hin. Die Schnellstraßen entlang der Seine hat sie bereits in Flaniermeilen verwandelt; Diesel- und alten Benzinautos verwehrt sie die Zufahrt in die Innenstadt. In der Corona-Krise hat sie Auto- in Radspuren verwandelt. Die Pendler aus den Vororten schimpfen jeden Morgen über die rote Stadtchefin, wenn sie in den Staus stecken. Aber sie hatten zur Wahl in der Stadt Paris nichts zu sagen.

Mit ihrem persönlichen Wahltriumph führte Hidalgo die "grüne Welle" an, die Frankreich am Wahlsonntag erfasste. Die Ökopartei Europe Écologie – Les Verts eroberte die Rathäuser von Bordeaux, Lille, Strasbourg und eventuell auch Marseille; Grenoble und Paris behauptete sie bzw. ihr sozialistischer Bündnispartner spielend. Mehr denn je gilt Hidalgo als mögliche Kandidatin für den Élysée-Palast in zwei Jahren. Zwar beantwortete sie alle diesbezüglichen Fragen mit einem klaren Nein. Aber hatte nicht schon ihr ehemaliger Parteifreund und Präsident François Mitterrand erklärt, nur Dummköpfe änderten nie ihre Meinung? (Stefan Brändle, 30.6.2020)