Ministerin Tanner hält daran fest, die Strukturen des Heeres zu ändern und die Schwerpunkte zu verschieben, ihr Generalstabschef Robert Brieger schaut, ob es wirklich Zeit dafür ist.

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Wien – Wie sie sich die Debatte über das Bundesheer wünscht, hat Verteidigungsministerin Klaudia Tanner gleich zu Beginn ihrer Erklärung im Nationalrat am Dienstag klargestellt: "Ja, über die Kommunikation in der letzten Woche kann man diskutieren." In der Vorwoche hatte Tanner ihre Reformvorstellungen in einem Hintergrundgespräch ihres Kabinetts lanciert und dafür Kritik vom Bundespräsidenten abwärts kassiert. Aber schon mit ihrem Einleitungssatz hat die Ministerin klargestellt, dass sie eben nicht über den Inhalt ihrer Pläne reden will.

Diese wurden als Abkehr von der Landesverteidigung verstanden, seien aber so nicht gemeint. Die Landesverteidigung sei "ureigenste Aufgabe" – das sei klar, das wurde in der Debatte auch von den Rednern aller Parteien angesprochen. Aber: Für das Heer gebe es neue, zusätzliche, möglicherweise dringlichere Aufgaben. Tanner: "Ich spreche davon, unser Heer bereit für die Zukunft zu machen – und nicht zum Selbstzweck."

Standorte werden gestärkt

Künftig werde in den Verwaltungsstrukturen gespart werden – "die Truppe ist der Ort, an dem wir nicht sparen werden. Es ist klar, dass wir investieren müssen", sagte die Ministerin. Als Beispiel nannte sie Villach, wo derzeit drei Kasernen zu bewirtschaften sind: Zwei dieser Liegenschaften seien zu verwerten, damit auf der dritten ein neues Gebäude errichtet werden kann – "das wird den Standort stärken". Ähnliche Pläne werden für Wien ausgearbeitet.

Als Beweis für ihr Bekenntnis zum militärischen Teil der Landesverteidigung führte Tanner an, dass sie bereits die Beschaffung von 30 Pandur-Radpanzern eingeleitet hat. Und sie will regelmäßige Übungen, eine bessere Ausrüstung, eine höhere Mobilität sowie ein neues Entlohnungskonzept für die Soldaten, die aus dem Milizstand zum aktiven Dienst einberufen werden.

Kickl erwartet Tanners Rücktritt

Die Oppositionsabgeordneten, von denen viele einen Button mit dem Bundesheer-Slogan "Schutz und Hilfe" angesteckt hatten, nahmen ihr das durchwegs nicht ab. FPÖ-Klubchef Herbert Kickl forderte die "Noch-Verteidigungsministerin" auf, sich beim Bundesheer zu entschuldigen für das, was sie angerichtet habe: Würden ihre Vorschläge umgesetzt, verkomme das Bundesheer zu einer "Minimundus-Armee", Tanner solle zurücktreten. Der freiheitliche Wehrsprecher Reinhard Bösch ging dann auf die Inhalte ein: Er warf der Koalition vor, ihr Regierungsprogramm über die Verfassung zu stellen. Das freiwillige Milizmodell, das die Ministerin bevorzuge, habe sich schon in den vergangenen zehn Jahren nicht bewährt – man müsse wieder dahin kommen, dass Milizsoldaten zum Üben verpflichtet werden.

Ähnlich der sozialdemokratische Wehrsprecher Robert Laimer: Er spracht von einer Degradierung der Landesverteidigung zu einem technischen Hilfsdienst. Der von Tanner geplante Verzicht auf die international bewährte Brigadestruktur erinnere ihn an einen Fußballtrainer, der seine Mannschaft ohne Mittelfeld antreten lässt.

Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer wies darauf hin, dass Kriegsszenarien, bei denen Panzer auffahren, "doch ziemlich unwahrscheinlich" geworden seien, weshalb das Bundesheer anders ausgerichtet werden müsse – dafür bedürfe es einer gesamtstaatlichen Strategie: "Wir haben uns auf eine Stärkung des Krisen- und Katastrophenschutzes verständigt." Auch sie sagte, dass das Bundesheer kein Selbstzweck für die dort beschäftigten Personen sei. (Conrad Seidl, 30.6.2020)