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Mehr Geld vom Staat – wenn am heutigen 1. Juli die größte Senkung der Mehrwertsteuer und andere Konjunkturmaßnahmen in Deutschland in Kraft treten, dann passiert das an einem historischen Datum. Auch vor 30 Jahren, am 1. Juli 1990, gab es für Millionen Deutsche Neuerungen in der Geldbörse, allerdings in sehr viel größerem Ausmaß: Drei Monate vor der deutschen Einheit kam die D-Mark in den Osten.

So schnell hätte es mit der Währungsunion – genauso wie mit der Einheit – eigentlich nicht gehen sollen. Im November 1989 war die Mauer gefallen. Zunächst war die Freude über Reisefreiheit und das Ende des SED-Regimes groß.

Ruf nach Westgeld

Bald jedoch wurde der Ruf nach Westgeld immer lauter, die Menschen wollten konsumieren und sich endlich das leisten, worauf sie in der DDR hatten verzichten müssen. "Kommt die D-Mark, bleiben wir, kommt sie nicht, geh’n wir zu ihr", lautete der Schlachtruf im Winter 1989/90.

Hunderttausende verließen in dieser Zeit ihre Heimat, um ihr (finanzielles) Glück in Westdeutschland zu suchen. Ostdeutschland drohte auszubluten.

Der damalige deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) handelte rasch und gegen den Rat vieler Ökonomen. "Es kann nicht Sinn einer Währungsunion sein, die durch jahrzehntelange Misswirtschaft in der DDR aufgeblähten Geldbestände nunmehr im Zuge der Umwandlung in D-Mark in ihrer Kaufkraft aufzuwerten", warnten ihn die Wirtschaftsweisen.

Tauschkurs von eins zu eins

Doch Kohl setzte für Löhne, Gehälter, Renten und Mieten einen Tauschkurs von eins zu eins durch. Es war eine politische Entscheidung, denn eigentlich war der Kurswert eins zu vier. Und so wurden 441 Millionen D-Mark-Banknoten gedruckt, 102 Millionen Münzen geprägt.

Im Frühsommer 1990 rollten nach nur wenigen Wochen unzählige Transporte der Bundesbank mit der begehrten Fracht Richtung Osten. Die Bürger empfingen die harte D-Mark begeistert, überall wurden Bündel von Scheinen in die Kameras gehalten.

Das böse Erwachen kam später. Unzählige Betriebe mit ohnehin geringerer Produktivität als im Westen blieben auf ihren teuren Waren sitzen, mussten höhere Löhne zahlen und brachen zusammen. Bald war die mit der Währungsunion entstandene Euphorie verflogen. "Ihre Stelle", erklärten die Wirtschaftsweisen, "haben Unsicherheit und Furcht und Bitternis besetzt."

Freude über die harte D-Mark, die die "Alu-Chips" der DDR-Mark ablöste, herrschte im Sommer 1990 in der DDR. "Eins zu eins, oder wir werden niemals eins", hatten die Ostdeutschen in puncto Umtauschkurs gefordert. So kam es dann auch. (Birgit Baumann aus Berlin, 1.7.2020)