Die heimische Corona-Lage trägt starke Züge einer Doppelbotschaft. Einerseits haben Gesundheitsminister Rudolf Anschober und die Immunologin Ursula Wiedermann-Schmidt am Montag vor zu viel Schlendrian beim Maskentragen und Abstandhalten gewarnt. Über das Wochenende war es in Österreich mit 50 bis 60 Neuinfektionen pro Tag zu einem beträchtlichen Anstieg getesteter Corona-Fälle gekommen.

Andererseits treten mit Mittwoch weitere Lockerungen in Kraft, die genau diesen Schlendrian teilweise erlauben. Neben dem Ende fast aller Beschränkungen beim Sport und der Ein-Uhr-Sperrstunde für Veranstaltungen mit bis zu 100 Menschen dürfen auch Kellnerinnen und Kellner ihre Masken nun ablegen. Laut vielfachen Beobachtungen haben sie das in einer Reihe gastronomischer Betrieben ohnehin schon in den vergangenen Wochen getan.

Ab Mittwoch dürfen auch Kellnerinnen und Kellner ihre Masken ablegen.
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Nun sind besagte Lockerungen zu begrüßen, denn der Schaden durch die Lockdown-Maßnahmen ist gesamtgesellschaftlich enorm – so erfolgreich sie die Epidemie auch in Schach hielten. Das ganze Ausmaß wird laut Public-Health-Experten wie Martin Sprenger überhaupt erst mit zeitlichem Abstand zu ermessen sein.

Besagte Unklarheit jedoch stellt Bürgerinnen und Bürger vor Probleme und macht ihnen die Bewältigung des Alltags schwer, wenn sie dazu beitragen wollen, dass sich das Coronavirus im Land nicht wieder unkontrolliert verbreitet. Dann wäre die Gefahr einer sogenannten zweite Welle groß – auch wenn Hoffnung besteht, dass diese mit dem heutigen Wissen über die Verbreitungsart des Virus wieder eingefangen werden könnte.

Spießrutenlauf

Wie widersprüchlich die Situation ist, merkt, wer dieser Tage einen Supermarkt mit einem Mund-Nasen-Schutz betritt, obwohl der dort schon seit 15. Juni nicht mehr vorgeschrieben ist. Er oder sie erntet dort Blicke, als prange auf seinem oder ihrem Kopf ein Aluhut. Schlimmer noch trifft es Ältere und Vorerkrankte, die ein höheres Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf tragen. Das Einkaufen kann für sie zum angstbesetzten Spießrutenlauf werden – zumal die Warnungen, vulnerable Personen mögen die Öffentlichkeit tunlichst meiden, keineswegs relativiert wurden. Doch ist es für sie und andere unzumutbar, über weitere lange Monate bis – vielleicht sogar – Jahre ein Leben auf extremer Sparflamme zu führen.

Was also tun? Wie mehr Menschen in Österreich davon überzeugen, dass es weiterhin höchst sinnvoll ist, mindestens einen Meter Abstand zu anderen zu halten, von Haushaltsangehörigen und engen Vertrauten abgesehen? Wie sie dazu bringen, an Orten, wo es eng wird, Maske zu tragen?

Vielleicht wäre eine konsistentere Kommunikationsstrategie ein Weg. Statt just am Tag vor weiteren beträchtlichen Lockerungen die gegenläufige Nachricht von einer riskanten Zunahme der Fälle loszuschicken, wären wohl schon in den Tagen und Wochen davor wiederkehrende Informationen über derlei mögliche Entwicklungen sinnvoll gewesen. Sachlich, informativ und ohne Anlässe dafür, jene Panik zu verbreiten, die derzeit etwa in den sozialen Medien stark spürbar ist.

In der erst von Kurz'schen Angstparolen, dann von Regierungslob für die Bevölkerung wegen deren Lockdown-Disziplin bestimmten Corona-Diskussion wäre das neu. Konkret wäre es ein Brechen mit einem hierarchischen und erratischen Kommunikationsprinzip. (Irene Brickner, 1.7.2020)