Anthony Fauci fordert konsequentes Tragen von Masken in der Öffentlichkeit. Außerdem sollten die Amerikaner besser auf den Sicherheitsabstand achten.

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Washington – In den USA ist die Zahl der mit dem Coronavirus Infizierten so stark gestiegen wie noch nie seit Beginn der Pandemie. Innerhalb nur eines Tages gab es Reuters-Daten zufolge mehr als 47.000 neue Infektionen. Kalifornien, Texas und Arizona haben sich zu neuen Epizentren entwickelt. Die Coronavirus-Erkrankungen in 14 Bundesstaaten haben sich damit im Laufe des Juni mehr als verdoppelt.

Landesweit haben die Infektionen um mindestens 46 Prozent zugelegt, von einigen Bundesstaaten stehen die Daten für den letzten Tag des Monats noch aus. In nur vier Bundesstaaten lag der Anstieg unter zehn Prozent – Massachusetts, Connecticut, New Jersey und New York. New York war einst das Epizentrum der Pandemie in den USA. Der Staat verhängte einen strengen Lockdown und Abstandsregeln, um gegen das Virus vorzugehen.

"Wir bewegen uns in die falsche Richtung"

Es sei eindeutig, dass es momentan keine wirkliche Kontrolle gebe, sagte US-Seuchenexperte Anthony Fauci vor einem Senatsausschuss. Er befürchtet, dass die tägliche Zahl an Neuinfektionen bis zu 100.000 betragen könnte, sollte nicht gegengesteuert werden.

"Ich bin sehr besorgt", sagte er bei einer Anhörung im Senat. "Wir bewegen uns in die falsche Richtung." Zuletzt gab es in den USA rund 40.000 Neuinfektionen pro Tag – mehr als an den meisten Tagen der Hochphase der Pandemie im April. Die Pandemie könne derzeit nur eingedämmt werden, wenn die Menschen in der Öffentlichkeit konsequent Masken trügen und auf ihren Sicherheitsabstand achteten, sagte Fauci, der Direktor des nationalen Instituts für Allergien und Infektionskrankheiten ist. Wenn sich die Menschen nicht daran halten würden, "werden wir weiter große Probleme haben", warnte er.

Angesichts der Krise in den USA wird nun weltweit das Medikament Remdesivir knapp. Wie mehrere Medien berichten, hat sich die US-Regierung mehrere hunderttausend Dosen des Wirkstoffs gesichert. Für den Rest der Welt bleibe damit kaum noch etwas übrig. Konkret hat Washington für Juli und August 500.000 Dosen des Medikaments bestellt. Das sind rund 90 Prozent der Produktion des Remdesivir-Herstellers Gilead.

Gesundheitsminister Alex Azar ging in Bemerkungen zu den Verhandlungen der USA zwar jüngst nicht darauf ein, was das Verhalten der USA für alle anderen Staaten bedeutet. Er sagte aber, US-Präsident Donald Trump habe mit Gilead – das ein exklusives Patent auf das Medikament hat – einen "wunderbaren Deal für das amerikanische Volk" abgeschlossen. Die Kosten für das Medikament werden rund 3.200 Dollar pro Dose betragen.

Biden verzichtet auf Auftritte und attackiert Trump

Der designierte Präsidentschaftskandidat Joe Biden will wegen der Pandemie auf Wahlkampfauftritte vor großem Publikum verzichten. Er werde dem Rat der Ärzte folgen und keine solchen Veranstaltungen abhalten. Der frühere Vizepräsident grenzt sich damit von Amtsinhaber Trump ab, der nach dreimonatiger Coronavirus-Pause kürzlich trotz aller Warnungen seine Wahlkampfveranstaltungen wieder aufgenommen hatte.

Für Trump findet Biden scharfe Worte. Er unterstellt ihm "historisches Missmanagment" – hätte Trump früher reagiert, hätte die Krise die Wirtschaft nicht so hart getroffen. "Die Amerikaner hätten während der vergangenen Monate nicht enorme Opfer gebracht, damit du (Anm. gemeint ist Trump) sie mit deinen Tweets und mitternächtlichen Schimpftiraden wieder zerstörst", sagt Biden vor Journalisten in Delaware.

Vieles hätte vermieden werden können, wenn Trump auf jemand anders als auf sich selbst gehört hätte. Das Land brauche einen Präsidenten, der zuhört. Außerdem kündigt Biden an, Fauci um eine weitere Tätigkeitsperiode zu bitten – vorausgesetzt, er würde gewählt.

Wirtschaftlicher Tiefpunkt überstanden

Unterdessen entspannt sich die wirtschaftliche Lage nach und nach. Die USA haben den Tiefpunkt der Corona-Krise nach Ansicht eines führenden Währungshüters wohl hinter sich. Der Chef des Notenbankbezirks New York, John Williams, verwies am Dienstag bei einer Online-Veranstaltung des Bankenverbands IIF darauf, dass die Konsumentenausgaben wieder zulegten und auch die zwischenzeitlich kräftig angestiegene Arbeitslosenquote zu sinken begonnen habe. Dennoch werde es wohl noch Jahre dauern, bis sich die US-Wirtschaft vollkommen von dem Schock erholt habe.

Die Zukunft der US-Wirtschaft ist nach Einschätzung von Notenbankchef Jerome Powell äußerst schwer absehbar. Die weitere Entwicklung hänge zu großen Teilen davon ab, wie erfolgreich die Pandemie eingedämmt werden könne. Erst wenn sich die Menschen wieder ganz sicher fühlten, sei mit einer vollständigen Konjunkturerholung zu rechnen. (red, APA, 30.6.2020)