ORF-General Alexander Wrabetz 2016 beim Grand Prix in Spielberg. Ab 2021 teilt der ORF die Formel-1-Rechte mit Red-Bull-Sender Servus TV.

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Eine denkmögliche Variante für die Formel 1 ab 2021 wäre eine Zusammenarbeit von ORF und Servus TV, schrieb DER STANDARD vor zehn Tagen nicht von ungefähr: Der öffentlich-rechtliche Sender und der private des Red-Bull-Konzerns werden sich die Fernsehrechte an den Rennen künftig 50:50 aufteilen. Den Österreich-Grand-Prix vom Red-Bull-Ring in Spielberg sollen beide Sender zeigen.

Den Deal über die Formel 1 wollte ORF-Chef Alexander Wrabetz (60) bei einem Hintergrundgespräch vor Journalistinnen und Journalisten nicht kommentieren, man stehe da "im Finale eines Abschlusses". Und ebenso wenig, ob er im Sommer 2021 noch einmal antritt, um Chef von Österreichs größtem Medienunternehmen zu bleiben. 2006, 2011 und 2016 hat ihn der ORF-Stiftungsrat zum Generaldirektor bestimmt. Wrabetz wirkt, als bereite er sich, den Stiftungsrat und das Unternehmen auf eine vierte Amtszeit Wrabetz vor, gestärkt vom Einsatz und den Quoten während der ersten Corona-Monate.

Bundesliga: Kein Spielraum

Umso ausführlicher sprach Wrabetz über seine Erwartungen (und Hoffnungen) an eine ORF-Novelle im Herbst mit weit mehr Möglichkeiten im Streaming, aber auch Benefits für private Medienhäuser. Über die Schwierigkeiten von ORF 1 und über die Unwahrscheinlichkeit einer Bundesliga-Verlängerung im ORF.

75 Millionen Euro Einsparungsbedarf für 2021 im Gefolge der Corona-Maßnahmen lassen laut Wrabetz keinen finanziellen Spielraum für die Bundesliga auch nach den 15 Geisterspielen 2020, für die der ORF kolportiert unter fünf Millionen zahlt. Die Rechte liegen bei Sky. "Ich rechne aufgrund der finanziellen Situation nicht damit, dass wir da in eine Verhandlungssituation für einen neuen Bundesliga-Vertrag kommen", sagt Wrabetz.

Die Quoten der aktuellen Spiele erklärt Wrabetz mit frühen Entscheidungen in der Liga, mit nicht mehr gewohnten Sendeterminen. Und damit, dass "wir wegen der insgesamt etwas schwierigen Situation von ORF 1 nicht genug Promotionkraft haben".

Infomagazin im Herbst fraglich

ORF 1 verlor im Juni gerade wieder 2,2 Prozentpunkte Marktanteil im Gesamtpublikum auf nur noch 6,6 und in der Zielgruppe unter 50 Jahren 1,6 Punkte auf 9,7. 2021 sorgen bei ORF 1 Skiweltmeisterschaften, verschobene Fußball-EM, Olympische Spiele für Quoten, aber auch mehr als 30 Millionen Mehrkosten. Und wie soll sich der Sender vor den Sporthighlights unter Spardruck behaupten?

Kommt das für Herbst geplante Infomagazin? Wrabetz: "Ich weiß nicht, ob wir es uns leisten können", er vermisst "überzeugende Konzepte". Peter Kliens "Gute Nacht Österreich" will Wrabetz weiter sehen, es schöpfe aber sein Potenzial nicht aus. "Nicht sehr gut etabliert" habe sich die Serie "Das Leben ist schön", klingt Wrabetz nicht nach Fortsetzung.

"ZiB" um 19.30 bleibt auch auf ORF 1

Die "ZiB" um 19.30 Uhr soll dauerhaft auf ORF 1 und 2 laufen. Damit wird die seit Mitte März nicht mehr laufende "ZiB 20" auch nicht ins Programm zurückkehren. Der ORF tüftelt laut Wrabetz noch über die Platzierung von Wetter, Sport und "Seitenblicken" nach dieser "Zeit im Bild". Die "Seitenblicke" wünscht sich Wrabetz früher als bisher geplant zurück, also Ende Juli/Anfang August statt Ende August.

Digitale ORF-Novelle

Corona bringt dem ORF nicht allein Spardruck. Wrabetz sieht auch einigen Rückenwind beim Publikum und vor allem Regierungswillen für ein neues ORF-Gesetz nach seinen dringlichsten Wünschen.

Der ORF arbeitet an einer Streamingplattform – Arbeitstitel: ORF-Player beziehungsweise ORF On –, die alle erdenklichen Stückln von News bis Sport, von Kids bis Kultur spielen soll. Dafür soll die Beschränkung von nur sieben Tagen Sendungsabruf fallen; der ORF soll zuerst und auch allein für das Web produzieren dürfen.

Im Gegenzug sollten gern private Medien von der Rundfunknovelle profitieren. Wrabetz spricht von "Andockmöglichkeiten" für private Player und von Empfehlungen, die vom ORF-Player auf weitere, thematisch passende Inhalte privater Plattformen verlinken. Vom gemeinsamen Log-in österreichischer Medien spricht der ORF-General, das Werbe- und Pay-Angebote privater Plattformen vereinfachen könnte. Von gemeinsamer Online-Werbevermarktung österreichischer Plattformen; bisher ist dem ORF aber Werbe-Targeting verboten.

"Vorstadtweiber" vom Vortag

Eine Forderung privater Medienhäuser, etwa der Fellner-Mediengruppe um "Oe24", ist der Zugriff auf das ORF-Archiv. "Naturgemäß werden wir zur kommerziellen Nutzung Inhalte unserer Archive nicht hergeben können", sagt Wrabetz. Private wollten ja nicht den "Fenstergucker" aus den 1960ern, sondern "Vorstadtweiber" am Tag nach der ORF-Ausstrahlung. Wrabetz kann sich aber vorstellen, vom ORF gedrehtes Material etwa für Dokus von Privatsendern zur Verfügung zu stellen. "Neu produzierte Filme und Serien der Konkurrenz zu schenken wird schon aus rechtlichen Gründen nicht gehen." Auch die Abgabe zu marktüblichen Preisen sähe er ungern als Pflicht im neuen ORF-Gesetz.

Bei der Formel 1 teilt der ORF schon mit einem Privatsender. Oder umgekehrt der milliardenschwere Red-Bull-Konzern wie bei der Europa League mit dem ORF. (fid, 1.7.2020)