Jean Asselborn, der dienstälteste Außenminister der EU, kritisiert Österreichs Standpunkte in der Flüchtlings- und Budgetpolitik.

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Wien – Er ist dafür bekannt, sich kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Diesem Ruf wurde der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn auch am Dienstagabend gerecht, denn er übte scharfe Kritik an der österreichischen Europapolitik und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Sowohl die Flüchtlingspolitik als auch die Haltung im Ringen um die EU-Corona-Hilfen seien "nicht europäisch", sagte Asselborn am Dienstagabend in der "ZiB 2" des ORF. Als Fehler bezeichnete er die coronabedingten Grenzschließungen innerhalb der EU.

"Luxemburg ist ein kapitaler Nettozahler, ist aber nicht bei diesen Frugalisten dabei", sagte Asselborn mit Blick auf die Selbstbezeichnung der Gruppe der vier "sparsamen" EU-Nettozahler, darunter Österreich, die Zuschüsse an die von der Corona-Krise getroffenen Länder ablehnen. "Man wird nicht mit Sparkonzepten aus dieser Krise herauskommen", sagte der sozialdemokratische Politiker. "Wenn wir Europäer sind, müssen wir das Konzept der Deutschen und Franzosen, das von der Europäischen Kommission vorgeschlagen wurde, akzeptieren. Das Konzept durch eine Politik der Sparsamkeit infrage stellen, das finde ich nicht europäisch", sagte er in Richtung Österreichs.

Kritikpunkt Flüchtlingspolitik

Asselborn beklagte auch, dass Österreich zu jenen Staaten gehöre, die in der Frage der Flüchtlingspolitik "in eine andere Richtung schauen". Es sei "wirklich nicht gut", dass es keine europäische Migrationspolitik gebe. Angesprochen auf die grüne Regierungsbeteiligung sagte er, "in der Migrationsfrage habe ich noch überhaupt keinen Unterschied gesehen (zur türkis-blauen Regierung, Anm.)". Österreich nehme diesbezüglich eine Position ein, "die ich wirklich nicht sehr europäisch finde".

Eine gemischte Bilanz zog Asselborn, was die Performance der EU-Staaten in der Corona-Krise betrifft. Einerseits habe "das Europa der Gefühle funktioniert", verwies er etwa auf die Behandlung von Corona-Patienten in Spitälern anderer Mitgliedsstaaten oder die gemeinsamen Rückholaktionen. "Da hat einer dem anderen geholfen." Die Grenzschließungen seien aber "vielleicht 14 Tage" gut gewesen. "Mit den Grenzen haben wir wirklich Fehler gemacht", stellte Asselborn die Sinnhaftigkeit der Schließung nationaler Grenzen infrage. Stattdessen solle man regional und lokal vorgehen, wie dies etwa in Italien der Fall gewesen sei. (APA, red, 30.6.2020)